
Jede gute Dienstreise beginnt im Mitropa-Wagen der Deutschen Bahn. In unserem Fall mit nur einstuendiger Verspaetung (Personen auf der Fahrbahn in Essen-Kray) und mit warmen Speisen und Getraenken erst ab Koeln. Also alles wie immer. In Frankfurt lernten wir dann unsere Mitreisenden kennen, die allesamt Hannelore und Guenther hiessen, in Ausfuehrung Fruehrente und Honeymoon verfuegbar, alle mit schicken Safari-Hueten der Hausmarke von Decathlon gekleidet. Wir verstanden recht schnell, dass es sich nicht um einen Flug mit Business-Kaspern nach Nairobi handelte, sondern um den Mombasa-Touribomber mit Zwischenlandung in Nairobbery. Obwohl wir beide muede und gross waren, keine Plaetze am Notausgang mehr frei. Skandal. Also Plan B: Annikas letzte Reihe Trick, der uns immerhin 4,5 Plaetze fuer zwei Personen bescherte und entsprechend viele Condor-Decken. Zur Begruessung gab es Gin Tonic, erste gute Nachricht des Tages! Bei Ankunft kam unser gebuchter Flughafen-Transfer – Ueberraschung! – nicht. Machte nichts, Taxifahrer gibt es ja viele. Aergerlicher dagegen war, dass auch bei unserer Unterkunft niemand anzutreffen war, weil der Chef immer erst um 9 Uhr kommt. Selbst die beiden ausgebildeten Wachhunde Yellow und Blackie ignorierten uns. Unser gebuchtes Luxus twin-bed-ensuite-Zimmer hatte dann leider doch kein Badezimmer, das war uns aber schon erstaunlich gleichgueltig. Waehrend wir die ersten baked beans von vielen zum Fruehstueck verspeisten, beobachteten wir aus dem Augenwinkeln, wie verschiedene Betten hin und her geschleppt wurden, und kaum war der Chef anwesend, war schwuppdiwupp das Komfortzimmer fuer uns umgebaut worden. Ab dem zweiten Tag gab es sogar heisses Wasser, dafuer aber keinen Waermeregulierer, aber wir moegen ja warm!

Karen Camp von vorne

Muellabfuhr

Black & Yellow
Warm ist ein gutes Stichwort, denn Nina musste schmerzlich feststellen, dass es in Afrika sehr kalt sein kann. Danke an Juergen, der dringend von einer zweiten Fleecejacke abgeraten hat! Es ist zwar nicht unbedingt kaelter als in Bochum, allerdings fehlt die Heizung und die Doppelverglasung. Mittlerweile regnet es aber nur noch nachts, wir sind also auf dem aufsteigenden Wetterast. Zurueck zum Chef: Der heisst Dougie, ist eigentlich Neuseelaender und seine Diaet ist schon etwas laenger her. Dougie besitzt zwei Shorts, die er im Wochenwechsel zu tragen pflegt. Eine ist tuerkis, von der anderen wissen wir es nicht genau. Dougie hat ungefaehr sieben Autos, von denen er das schrottigste auswaehlte, um uns netterweise zur naechsten Shopping-Mall zu fahren. Dort verbrachten wir gefuehlte sechs Stunden, um mit zwei Telefon-Simkarten, aber ohne Internet-Simkarte zurueckzukehren. Zum Glueck hatte Dougie aber noch was in Reserve, so dass wir nun voll ausgestattet sind. Die Internetnutzung des campeigenen WiFis beschraenkt sich auf die arbeitnehmerfreundlichen Zeiten 7:30-8:00 sowie 13:30-14:00, und zwar ausschliesslich auf das Abrufen von Emails, was Nina konsequent missachtet.
Unsere Mitbewohner setzen sich zusammen aus zwanzigjaehrigen Missionaren aus dem gelobten Land Texas, versprengten Overland-Teilnehmern und Individualreisenden mit eher aussergewoehnlichen Biografien und Autos mit Saugrohren. Gerne treffen sich hier auch am Wochenende aus der Kolonialzeit uebriggebliebene Englaender zum froehlichen nachbarschaftlichen Barbecue oder auf eine Cheesy German Sausage (9 inches). Wir kennen uns mittlerweile recht gut mit landesueblichen Kneipenspielen aus, die in Deutschland allerdings verboten sind (cf. Verkehrssicherungspflicht). Die Speisekarte setzt sich zusammen aus den bereits erwaehnten baked beans und pub grub. Also Burger. Ist aber ganz lecker. Zur allgemeinen Enttaeuschung sei noch gesagt, dass wir weder vom Essen krank geworden sind, noch von wilden Insekten angegriffen wurden.

Karen Camp Parkplatz
Es folgte ein erster Ausflug nach Nairobi City Center zwecks Orientierung, vor dem wir von unserer Herbergsmutter Anne gewarnt wurden, wir duerften ausschliesslich mit Bewaffneten sprechen. Wir lernten unseren privaten Fahrer Paul und sein Auto Stacey kennen, der leider auch nicht verhindern konnte, dass Nina im Smog fast erstickt waere. Davor hatte uns keiner gewarnt, ebenso nicht vor den rush hour Zeiten, so dass wir fuer den Rueckweg ins beschauliche Karen lediglich 120 Minuten benoetigten. Das City Center umfasst ca. acht Querstrassen, ist ungefaehr so sicher wie Wattenscheid nachmittags und recht frei von Sehenswuerdigkeiten.
Unsere ersten Interviews waren sehr ergiebig, sogar besser als erwartet. Wir begannen mit Transparency International und der Weltbank (Adel verpflichtet oder: nicht kleckern, klotzen), es folgten die Konrad-Adenauer-Stiftung und die uns bereits bekannten Gesichter der GIZ. Spontan besuchten wir noch ein College, das sich im 9. Stock eines Hochhauses befand, das zwar nicht ueber Strom, aber ein begehbares Holztreppenhaus verfuegte. Wir interviewten einen hochrangigen Mitarbeiter des Instituts, leider stellte sich erst am Ende des Gespraechs heraus, dass es sich nicht um einen oeffentlichen Auftraggeber handelte. Trotzdem oder gerade deswegen sehr interessante Einsichten! Auf der Fahrt vom GIZ-Haus zum sogenannten Treasury (sprich: Traejscherrie, das ist das Finanzministerium) passierte Paul ein kleines Missgeschick, oder wie er sagte: “I pushed the other car”, was allerdings folgenlos blieb. Das Treasury verfuegt ueber mehrer Aufzuege und hat bereits unsere Idee des Mitarbeiterfahrstuhls an der RUB umgesetzt, Respekt! Sollte jemand mal zu Besuch im Treasury sein und die Toilette benutzen muessen, unbedingt die von der Sekretaerin ausgehaendigte Klorolle entgegennehmen und dabei nicht lachen! Zitat Nina: “Treasury ist wie Campingplatz am Biggesee”. God bless you.

Buero
Da wir fleissige Bienchen sind, arbeiten wir auch Samstag im Country Club, wo wir ein Treffen mit Humphrey ausgemacht hatten. Es war uns entfallen, um wen es sich genau handelte, also begannen wir das Gespraech mit: “Sie promovieren also zum Thema Vergaberecht?!” Antwort: “Richtig. Nebenberuflich bin ich auch Abgeordneter im Parlament.” Da war es uns kurzfristig etwas unangenehm, dass wir zu spaet gekommen waren, weil Paul auf dem Weg verhaftet worden war wegen illegaler Personenbefoerderung. Die Polizistin stieg zu uns in den Wagen, begruesste uns freundlich und sprach zu uns: “I have arrested your driver and I will take him to the police station.” Das war nicht ganz korrekt, denn ER fuhr SIE ja zur police station, da sie gar kein Auto hatte. Die Wache sah aus wie eine Filiale der Opel Scheune, und nachdem eine “Kaution” gezahlt wurde und der Gerichtstermin im Amtsgerichtsbezirk Kibera (das ist der zweitgroesste Slum von Subsahara-Afrika) feststand, konnten wir unsere illegale Fahrt fortsetzen. Der Abgeordnete war auch nicht boese ob unserer Verspaetung, sowas passiert eben.

Karen Police Station
Am Tag des Herrn goennten wir uns eine Pause und fuhren statt zur Kirche zu einem Elefanten-Waisenhaus. Die Elefantenbabies waren natuerlich unglaublich niedlich und wir im Merchandising-Shop, woraufhin wir nicht mehr genuegend inlaendische Devisen fuer das Giraffen-Center hatten. Der Dollar-Notgroschen half, und die Giraffen, Schildkroeten und Warzenschweine waren genauso niedlich. Giraffen haben blaue Zungen, 32 Zaehne, 7 Halswirbel und werden in Gefangenschaft 25-30 Jahre alt. Verstoerenderweise heissen sie alle Daisy. Nun werden wir zur Feier des Tages Pizza statt Burger essen und die Al Jazeera-Version des Tatorts gucken.

Langata Giraffe Center

Aussicht

Baby-Elefant

Noch ein Baby-Elefant

Daisy

Schnarchendes Warzenschwein

Alte Herren

Daisy von hinten
Fazit: Es geht uns praechtig, die Fleecejacken mueffeln und wir starten morgen in eine verheissungsvolle zweite Interviewwoche. Freut euch jetzt schon auf Hedwig!
P.S.: Der Abend lief nicht wie erwartet. Wir wurden von einem indisch-ugandischen Pilzzuechter abgefangen und auf eine Sikh-Party eingeladen. Es gab dann doch wieder Burger…