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Archive for Juni 2010

Mkangamira

Nach Rueckkehr aus dem Mosambik-Urlaub draengte es mich nach vier Tagen Lilongwe in die naechsten Ferien, diesmal auf dem Land. Mkangamira liegt in der Naehe von Lilongwe und hat ein Kindergartenprojekt, in dem ich “helfe”. Bevor ich kam waere ich erleichtert gewesen, wenn jemand meinen Besuch aus was fuer Gruenden auch immer abgeblasen haette. Dann waere ich eben in Lilongwe geblieben beim Internet und haette Ausfluege in die naehere Umgebung unternommen, wie nett! Ich hatte wirklich Angst, nicht unbedingt vor Schlangen oder Dunkelheit, aber vor sozialer Isolation, weil ich doch kein Chichewa kann. Zum Glueck hat niemand abgesagt und ich bin gefahren. Drei Wochen zu Gast bei Familie Benesi, die so unglaublich nett ist. Es ist schwierig, das Leben hier zu beschreiben, weil es so fremd und andererseits so vertraut ist. Die Kuehe sehen aus wie in Mecklenburg und die Menschen sind meistens gut gelaunt und manchmal auch nicht. Sorgen gibt’s hier auch, Herr Benesi sorgt sich z.B., weil die Kuh ein wehes Bein hat und weil sein aeltester Sohn dieses Jahr heiratet und weil er Ratten im Haus hat. Es gibt aber keinen Druck, vor allem keinen zeitlichen. Die Dinge, die zu erledigen sind, werden gemacht, heute oder eben morgen. Wenn die Kuh ausbricht, dann kann ich solange nicht aus dem Haus und komme zu spaet in den Kindergarten, dann ist das eben so, kein Grund zu rennen (zur Erklaerung: Die Kuh ist eine Milchkuh und muss im Gehege bleiben und fressen und sich ausruhen, daher war sie ueber ihren eigenen gelungenen Ausbruchversuch mehr als schockiert. Ich mag die Kuh.). Fragen, die mit Zahlen beantwortet werden muessen, stelle ich nicht mehr (Um wieviel Uhr treffen wir uns? – Morgen. Wieviel Grad wird es im Sommer? – Sehr warm. Wie lange muss das Fleisch kochen? – Bis es fertig ist.). Es passiert jeden Tag etwas, was das Fremde normal werden laesst und das Normale irgendwie entfremdet. Ich meine, wenn im Haus das Algerien-Spiel laeuft und draussen ein Huhn entkernt wird, dann denke ich natuerlich “Oh Mann, jetzt ist der Anthar vom Platz geflogen” und wundere mich aber viel mehr darueber, was Maria gerade genau mit dem Huhndarm anstellt. Und wenn die Entfremdung von mir selbst die Ausmasse annimmt, dass ich mich von oben betrachte, wird es richtig spannend: Ich laufe mit einer Schuessel Maiskoernern auf dem Schaedel durch ein afrikanisches Dorf, verliere dabei meinen Wickelrock (man kan sich ja nur entweder auf Koerper/oben oder Koerper/unten konzentrieren), alle Zuschauer lachen sich tot und keiner denkt an Bruce Darnell, ausser mir. Es ist nicht so, dass ich mir im Minutentakt sage “Wahoo, wie crazy ist das denn?”, weil die schoenen Dinge immer still sind. Es gibt keinen Strom, deswegen sind die Sterne heller. Es gibt keinen Stall, deswegen sitzt das Huhn abends immer neben mir an der Feuerstelle und waermt seine Huehnchen. Es gibt kein fliessendes Wasser, deswegen macht Baden mehr Spass. Manchmal stelle ich mir vor, wie ein Dorfbewohner von Mkangamira zu Austauschzwecken nach, sagen wir mal, Koelln bei Altentreptow bei Neubrandenburg faehrt und bei Familie Schmidt wohnt. Wuerde er mit ekstatischen “ein Schwarzer, ein Schwarzer”-Rufen empfangen werden? Wuerden sie ihre Saeuglinge – ok, schlechtes Beispiel, da gibt’s ja momentan nur einen, sagen wir Kinder – zu ihm bringen, damit sie mal einen Schwarzen anfassen koennen? Wuerden sie ihm staendig ihre Hilfe anbieten? (“You don’t have to be scared, I will be helping you.” – “Aeh, senk ju.”) Wuerden sie ihm einen Eimer Erdnuesse als Geschenk bringen? Schon klar, Mecklenburger sind keine Malawier.

Wie, und von Armut sprechen wir gar nicht? Langatmiges Thema, definieren Sie Armut, weniger als einen US Dollar / Tage zur Verfuegung. Total unpassender Richtwert, hier wird zum Grossteil angebaut und nicht eingekauft. Es wird munter Nsima gefuttert, der garantiert vitamin-, mineralstoff- und spurenelementfreie Maisbrei, der satt macht und sonst nix. Wer mehr als nur Mais anbaut, wie Familie Benesi, kann sich besser ernaehren, aber das ist eine individuelle Entscheidung, hier waechst ja so gut wie alles. Statt Strom aus der Wand gibt es Autobatterien und auch sonst jede Menge Batterien, den Entsorgungsaspekt lassen wir mal beiseite, das Wasser kommt aus dem Brunnen (den Gedanken an die Batterieentsorgung bitte immer noch weit wegschieben). Einmal habe ich Diana von meinem Traum erzaehlt, dass mich jemand aus dem Dorf auf meinen exorbitanten Wasserverbrauch aufmerksam gemacht haette, das fand sie lustig, denn “you can have as much water as you want to, we don’t have water bills”. Kleidung, vor allem Kinderkleidung, ist wie ueberall ein Problem. Kaputt, dreckig, unzureichend, keine Produktion weit und breit. Das Argument, Kleiderspenden hinderten lokale Textilfirmen an ihrer Entstehung, kann ich in diesem Fall ueberhaupt nicht nachvollziehen, es ist naemlich gerade wirklich kalt von nachmittags bis vormittags, und manche Kinder fuehlen sich an wie tiefgefroren, vor allem die Fuesse. Liebe Kleiderspender, zwei Bitten:

  1. Maedchen tragen in Malawi Kleider. Da aber natuerlich mehr T-Shirts und Hosen gespendet werden, sehen die jungen Damen wirklich bis zur Unschicklichkeit geloechert aus. Kleider moegen unpraktisch sein, tut hier aber nix zur Sache. Uebrigens sind Kleider ohne Reissverschluesse besser, weil die immer kaputtgehen und dann muss schulterfrei getragen werden.
  2. Kein Mensch, auch kein sehr, sehr armer Afrikaner, hat es verdient, ein T-Shirt mit der Aufschrift “Nuechtern seh‘ ich furchtbar aus” zu tragen. Bei solchen Spenden bitte eine Uebersetzung beilegen, das ist das mindeste.

Es gibt Bildungsarmut (wenn, dann qualitativ schlecht), Informationsarmut (wenn, dann Radio), Mobilitaetsarmut (wenn, dann Fuesse), Innovationsarmut (wenn, dann von den Gebern finanziert), usw. Aber es schockiert nicht, weil die Menschen ihr Leben positiv bewerten. Herr Benesi sagt ja nicht, dass er gerne einen Ipod haette, sondern ein groesseres Haus, aber das geht dieses Jahr nicht, denn dieses Jahr wird der Sohn verheiratet. Es ist fuer Reiche sicher schwieriger zu sehen, wie Menschen einen besseren Lebensstandard erreichen wollen und in den Slums von Nairobi sichtbar und unwiderruflich scheitern, als in einem Dorf, das in seiner Grundzufriedenheit und seiner punktuellen Unzufriedenheit nicht weiter als bis morgen denkt. Ich glaube nicht an das Prinzip des gluecklichen Iditoten, ich habe aber auch keine Antworten, nur die Gewissheit, dass Mkangarima mir viel mehr geben als ich annehmen kann. Und immer dieselbe Frage: Wer ist jetzt reich?

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Die Entvaterlaenderten

Bruessel ist voll von sogenannten Expatriates, aus dem Heimatland Entsendeten, die nun im Niemandsland in Suedflandern ihr Dasein fristen, weil ihre Taetigkeit die regelmaessige Anwesenheit auf der Place du Luxembourg (mittwochs ab 18 Uhr) noetig macht, um dort zu netzwerken. Wenn ich so ueberlege, kenne ich eher wenig Leute, die tatsaechlich nach Bruessel verschickt wurden, die meisten haben da einfach einen Job gefunden und sich selber geschickt (z.B. icke). Trotz der begrifflichen Unschaerfe versteht man sich selbstredend als mehr oder weniger gestraft, nicht mehr wie jeder normale Mensch bei DM einkaufen gehen zu koennen. Expat. Die Legitimation dafuer, viele Dinge schrecklich zu finden, die “zu Hause” viiiel besser funktionieren/schmecken.

Nach Lilongwe kommt niemand aus Europa, der nicht entsendet wurde. Nach Lilongwe kommt auch niemand, der nicht irgendwas mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat, denn weder Lasertechnologie noch Unternehmensberatung werden momentan in Malawi nachgefragt. Hier geht es auch nicht darum, ob die Dinge hueben oder drueben besser sind, weil es sie entweder gar nicht (regelmaessige Stromversorgung) oder zu viel davon (Krankheiten uebertragende Stechmuecken) gibt. Allein dafuer ist eine Entschaedigung tatsaechlich noetig, sonst wuerde das ja niemand laenger als drei Vollmonde machen. Von den materiellen Einschraenkungen abgesehen wuerde mich folgendes Szenario in den Wahnsinn treiben: Ein auesserst begrenzte Anzahl von Menschen ausschliesslich aus demselben Beschaeftigungssektor wie man selber (EZ), die man an oeffentlichen Orten treffen kann (ganz einfach eine Einkommensfrage: wer nichts hat, bleibt zu Hause; Malawi ist eines der zehn aermsten Laender der Welt.), in einem kulturellen Umfeld, das der Kalahari gleicht. Nicht, dass ich es in mehr als eine Ausstellung im Jahr schaffe, aber ich moechte das Gefuehl haben, ich koennte jeden Tag gehen. Ich will ja auch nur dann Gummibaerchen essen, wenn ich keine habe. Sprach eine Expat zu mir, die kurz vor Vertragsende steht:”Nee, ich will nicht zureuck nach Deutschland, da ist mir zu langweilig.” Hm, man muss ja nicht zwingend nach Schwerte an der Ruhr ziehen, ansonsten gibt es ja normalerweise auch in kleineren Staedten ein Kino. Oder ein Cafe. Oder eine VHS. Oder geht’s hier ums Wetter oder was? Tiefe Ueberzeugung von der Sinnhaftigkeit der EZ? Oder doch um Status?

Klar, als Expat im Haeuschen lebt es sich schoener als in 2ZKB in Essen-Altenessen, man muss nicht selber spuelen und im Idealfall uebt man eine erfuellende Taetigkeit aus. Der Preis ist ein Leben hinter hohen Zaeunen (ob die Sicherheitsstandards berechtigt sind oder nicht, kann ich nicht beurteilen), der mir zu hoch waere fuer Wohlstand + Exotik + die Tatsache, auf der Guten Seite zu sein. Expat-Dasein in afrikanischen Mittelstaedten wird gestrichen von der persoenlichen Liste der moeglichen Lebensformen. Vermehrung der gewonnenen Einsichten und so.

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Ilha, meine Perle

Ich bin verliebt. Alle physischen und psychischen Anstrengungen haben sich gelohnt, ich bin angekommen auf der Insel, die die gesamten vier Tage Anreise vergessen laesst. Wie soll man sie beschreiben? Wer schon mal auf Sansibar war, benutze die Zeitmaschine und reise 50 Jahre in die Vergangenheit. Fuer alle anderen muss ich ausholen.

Die Ilha do Mocambique, meistens nur Ilha genannt, war bis zur Unabhaengigkeit die Hauptstadt des Landes, was natuerlich nicht wirklich stimmt, denn das war ja in Wahrheit Lissabon. Heute ist sie UNESCO Weltkulturerbe, obwohl man sie ueber eine sehr haessliche Bruecke erreicht, da hat die UNESCO nicht gut aufgepasst, sei’s drum. Die Insel, maximal 2,5 km lang und 600 m breit, ist mit 18.000 Einwohnern ueberbevoelkert, allerdings merkt man davon nicht viel, weil wie immer der Grossteil der Menschen unter einem Meter gross ist. Der Suedteil (“reed town”) setzt sich aus sechs ehemaligen Fischerdoerfern zusammen, der Nordteil (“stone town”) beherbergte Verwaltungsgebaeude und heute die Touristen (ich schaetze mal so zehn am Tag). Die Bewohner der Insel legen, fuer mosambikanische Verhaeltnisse, geradezu schockierende Verhaltensweisen an den Tag: Maedchen reden mit Jungs, Frauen fahren Motorrad und Vaeter spielen mit ihren Kindern (In Malawi ist es Frauen uebrigens noch nicht lange erlaubt, Hosen zu tragen.). Ansonsten verlieren Touristen mit steigendem Alter des Betrachters an Attraktivitaet, man wird von Erwachsenen zwar nicht mehr umarmt und gestreichelt, aber auch nicht ausgeraubt. Soweit ich das in ein paar Tagen beurteilen konnte, gibt es einfach keine Kriminalitaet oder Agressionen, die ueber einen Kinder verscheuchenden Kellner hinausgehen (allerdings von dem entschuldigenden Kommentar begleitet: “They talk too much.”). Selbsternannte Touristenguides gibt es zwar, der Markt wird aber kontrolliert und gelenkt von Harry Potter, der wahrscheinlich den unpassendsten Spitznamen der Welt abbekommen hat. Er hat leider kein Telefon, wohnt aber im Zelt am Strand, falls ihn jemand brauchen sollte. A propos Telefon: Die bizarrste Nachricht erreichte uns von einem Herrn, mit dem Masu einige Zeit versucht hatte zu klaeren, ob sein Rohbau nun als Gaesteunterkunft zu gebrauchen sei oder nicht:”Thenk you for mim, use you. See you tomorrow morning. Good nighithy.” Hm. Wenn jemand eine offizielle Auskunft braucht, einfach bei Natacha vorbeischauen, die eroeffnet seit einigen Jahren die Touristeninfo und die Klimaanlage laeuft auch hervorragend. Ansonsten war Natacha noch nie an einem der umliegenden Straende, aber sie kann jemanden in Maputo anrufen, der war schon ueberall. Auch die Museumsfuehrung ist sehr informativ und sogar auf englisch, man lernt sehr viel ueber den letzten portugiesischen Gouverneur. Der hatte immer ein Bettchen frei fuer den Koenig, aber der Koenig kam nie, deswegen hat dann einfach der erste portugiesische Praesident bei seinem Antrittsbesuch drin geschlafen. Nicht ganz so wunderlich wie das House of Wonders, aber aeusserst geschichtstraechtig. Die meisten Steinbauten auf der Insel sind uebrigens um die 400 Jahre alt, und ein Bruchteil dieser Gebaeude wurden renoviert. Es gibt tolle Anlagen wie meinen Favoriten, den Sporting Club, oder das Krankenhaus, das aussieht wie der Akropolis entsprungen, und zwar voellig zerfallen und von Wildkraeutern befallen Grundsaniert sind einige Hotels, Bars und Verwaltungsgebaeude, die Menschen leben in Hinterhofwohnungen, die ueber drei Treppen und einen Mauerdurchbruch zu erreichen sind. Wenn die Menschen nicht da waeren, wuerde man sich gruseln vor einer Geisterstadt, so aber lebt man ein bisschen unwirklich und verwunschen in einer Umgebung, die einen an nichts anderes denken laesst, wie es wohl war und was es wohl werden koennte. Die UNESCO haette gerne, dass alles so bleibt, wie es ist, betreibt oder foerdert aber auch keine Instanthaltungen. Die werden, wenn ueberhaupt, von auslaendischen Investoren betrieben, z.B. von Uwe mit seinem neuen Backpacker oder von Roberto mit seiner fantastischen Dachterassenbar. Mein Lieblingsetablissemaeng war die riesige Hinterhofbar, seltsam dreigeteilt in schummeriges Rotlicht mit Bastmatten, Plastikstuehle unter Neonlicht und gemauerten Muschelsitzen und -tischen, gleich neben einem ehemaligen Hockeyfeld und geschmackvoll dekoriert mit einem Weihnachtsbaum. Sowas wuerde in Berlin hoechstwahrscheinlich ein Insider-Tipp fuer spanische Touristen sein. Einziger, trauriger Nachteil der Ilha: Wassermangel fuehrt zu Toilettenmangel fuehrt zu Strandnutzung fuehrt zu Nichtstrandnutzung. Schwimmen ist nicht, auch wenn es jetzt nicht so schlimm wie, sagen wir mal, der Ganges ist. Stattdessen nimmt man ein Segelboot (Harry Potter fragen) und faehrt zum Festland mit Abstecher ueber unbewohnte Inseln mit Riesenmuscheln. Seufz, wer braucht schon Westerland?!

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Roadies

Es werden mal wieder mehrere Beitraege gleichzeitig erscheinen, das liegt wirklich weder an mir noch an unserem ugandischen Netbook, sondern einzig und allein an der unzureichenden Verfuegbarkeit vom Internet, daher zum besseren chronologischen Verstaendnis: Wir befinden uns exakt elf Tage nach dem letzten Beitrag auf der Rueckreise aus dem Urlaub in Mosambik. Mir wurde zugetragen, dass in der Zwischenzeit Stefan Raab die sinnloseste (ist sinnlos ueberhaupt zu steigern?) Veranstaltung der europaeischen Medienlandschaft gewonnen hat und nun auf das Amt des ersten Mannes im Staate scharf ist, das praktischerweise vakant geworden ist.

Mosambik ist ein fantastisches Land, hat allerdings mit einigen massiven Problemen zu kaempfen: Wasserver- und -entsorgung, Strassenbau und -instanthaltung, Ver- und Entmienung, nur um die wichtigsten zu nennen. Bei allem, was wir bisher gesehen haben, ist es noch nie passiert, dass auch in grossen Staedten ein derartiges Wasserproblem bestand, Problem im Sinne von: Es gibt keins. Natuerlich gibt es Trinkwasser in Plastikflaschen, aber es gibt z.B. keine Klospuelungen. Da fragt man sich, wozu gibt es ueberhaupt Klos? Ist in diesem Falle die gute alte Latrine ueber einer ordentlichen Sickergrube nicht die bessere Loesung? Das Muttertier hatte Vorahnungen und wollte mich bereits im Vorfeld ueber die Mosambik-Cholera informieren. Ich habe es aus Angst vor selbsterfuellenden Prophezeiungen nicht gelesen, aber ich bin sicher, es stimmt.

Der Zustand der Strassen fuehrt dazu, dass suedafrikanische Autovermietungen einen Ausflug nach Mosambik verbieten und Touristen generell und ueberhaupt dann lieber in Suedafrika bleiben. Unser Glueck! Je nach Zustand der Strasse kann man mit einem vierraedrigen Gefaehrt so zwischen 40 und 50 km/h fahren, manchmal sind die Strassen aber so schlecht, dass man entweder Fahrradtaxi (sehr bequem mit zwei Rucksaecken pro Person) oder Zug fahren muss. Der Zug zwischen Cuamba und Nampula ist mit Abstand das komfortabelste Verkehrsmittel, allerdings braucht man fuer ca. 350 km auch lockere elf Stunden. Weitere vor Ort benutzte Transportmittel waren ein Traktor, zwei Segelboote, geliehene Fahrraeder, ein Pickup, ein Auto, ein Lastwagen, eine Fahrschule und unsere Fuesse. Bereitbare Tiere gab es leider nicht. Mit den Fuessen sollte man auch vorsichtig sein aufgrund des oben und unten erwaehnten dritten Hauptproblems. So herrlich unkoventionell das alles sein mag, manchmal, aber nur manchmal, wuenscht man sich den ICE oder den TUV oder eine geteerte Strasse herbei. Oder ein Kissen. Masus Kommentar zu unseren 57 Pickup-Mitreisenden, nachdem wir fast unter vier Saecken Fisch begraben wurden:”Ja, ihr findet das lustig, ihr fahrt wohl nicht so oft Auto!”

Problem Nr.3 stuetzt meine These, dass es Laender und Regionen gibt, die irgendwie dauerhaft kein Glueck haben, Beispiel Afghanistan. Immer, wenn es Licht am Ende des Tunnels gibt, kommt etwas Unvorhergesehenes dazwischen und alles geht wieder den Bach runter. Mosambik wurde erst 1975 unabhaengig, was immerhin vor meiner Geburt, aber bereits ein Jahr nach der Hochzeit meiner Eltern war. Dann passiert, was jedem afrikanischen kolonialisierten Staat passiert: Buergerkrieg, 17 Jahre lang. Ende der 90er ein Minimum an Stabilitaet, und jetzt kommt die Ungerechtigkeit… Die Flut Anfang 2000 vernichtet einen Grossteil der Infrastruktur im Sueden und im Zentrum, 80 % des Viehs ist dahin und die Landmienen, schoen waehrend des Buergerkriegs kartographiert, werden weggespuelt, und niemand hat eine genaue Idee, wo sie hin sein koennten. Wenigstens hat Lady Di, Kaempferin fuer Landmienenopfer, das nicht mehr miterleben muessen. Angeblich kann die Schaetzung von zwei Millionen Mienen nach unten korrigiert werden, was aber auch nicht viel sagen will. Und was machen die klugen Belgier? Gruenden eine NGO mit dem schoenen Namen APOPO und bilden Ratten zu Mienenspuerratten aus. Keine Ahnung, ob die Ratte die Entmienung selber durch Selbstmord vornimmt, wenn ja, koennte man das Trainingsprogramm evt. auch auf Kakerlaken ausweiten.

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Es ist passiert. Barbara und ich haben uns getrennt. Es ging einfach nicht mehr, sie wollte immer weiterfahren und ich wollte meine Ruhe. Nun ja, so ganz ueberraschend kam es nicht, es war ja klar, dass das nicht ewig so weitergehen konnte, und immerhin 38 Tage durch fuenf Laender sind eine Zeit, die uns niemand nehmen kann. Falls jemand in Betracht ziehen sollte, eine Overlanding Tour zu machen, moege er/sie bitte folgendes beachten:

  • Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deines Reisetempos sein. Du wirst dich Barbaras Rhythmus anschliessen muessen, und das heisst nicht “lass uns vormittags mal Richtung Norden fahren”, sondern “tents down by 5:30, quick breakfast, ready to go at 6:00”.
  • Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deiner Reisedestination sein. Barbara sagt dir vorher, wo du hinfahren wirst, und entweder bist du damit zufrieden oder nicht. Das solltest du dir vorher ueberlegen. Barbara ist es natuerlich egal, ob es dir auf Campingplatz Ganznahamstrand gut gefaellt und du laenger bleiben moechtest, sie muss naemlich weiter, und zwar nach Kapstadt.
  • A propos Camping: Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deiner grossen Gelenke (Schulter, Knie, Huefte) sein. Ich bin nicht zimperlich, aber 38 Tage ohne Bett sind ausreichend.
  • Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deines eigenen Alterungsprozesses sein. Es wird davon ausgegangen, dass du dich den juengsten Barbara-Bewohnern anpasst, und wenn du Pech hast, hat der juengste gerade “Bier aus Trichter saufen” fuer sich entdeckt.
  • Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deiner koerperlichen Beduerfnisse sein. Du wirst dann Hunger haben, wenn es Essen gibt, und dann schlafen, wenn die Sonne untergeht. Und alles andere analog.
  • Barbara wird immer fuer dich da sein. Barbara ist deine Oase, dein Schlachtschiff, dein treuer Gefaehrte. Innerhalb von Barbara gibt es nichts Boeses (ausser den britischen Charts), keine Korruption an der Grenze, keine penetranten Postkartenverkaeufer, es gibt nicht mal Malaria. Barbara gibt dir Vertrauen in einen Kontinent, von dem alle behaupten, er sei verteufelt und verhext und verdammt und noch viel schlimmeres. Und das ist eine sehr gute Vorbereitung auf das, was folgen wird.

Barbara wird immer einen Platz in meinem Herzen haben…

Auf Barbara folgt eine kurze Einfuehrung in das Expat-Leben in Lilongwe, oder, wie Fietchen sagen wuerde, in Li-La-Langeweile. Lilongwe mag nicht spannend sein, ist mir aber wesentlich sympathischer als Kampala oder Nairobi, wo ein Mzungu-Leben im Verkehr nichts wert ist. Masu verstieg sich zu einem Vergleich zwischen Berlin und Lilongwe (Strassenbreite), so weit wuerde ich nicht gehen, aber Platz ist definitiv da. Entwicklungspotential. Wir sahen zum ersten Mal nach sechs Wochen eine Waschmaschine und eine heisse Dusche. Wir sahen ein grosses Haus und einen noch groesseren Garten, die gut bewacht werden wollen. Wir sahen – nur in der Zeitung – ein malawisches homosexuelles Paerchen, das in erster Instanz zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde wegen ihrer Hochzeitsplaene. In der Bevoelkerung stoesst die Hoechststrafe anscheinend auf Begeisterung, die Expats macht sowas verstaendlicherweise eher ungluecklich.

Seit drei Tagen sind wir nun tatsaechlich auf uns alleine gestellt, denn wir fahren in den Urlaub! Zwei Wochen Mozambique, bitte. Keine Barbara, kein Auto, nur der Nah- und Fernverkehr und wir. Nach der ersten Panikattacke aufgrund der Menschendichte und der einbrechenden Daemmerung in einem Minibus (Lilongwe-Mangochi in knapp neun Stunden, reine Fahrzeit ca. sechs Stunden, gefuehlt gute 24 Stunden) haben wir uns in den letzten Tagen auf Pick-up Taxis verlegt, auf denen man sich zwar fix einen Sonnenbrand auf die elfenbeingleiche Mzungu-Haut einfaengt, dafuer aber atmen kann. Im Ernst: Ich habe null Verstaendnis dafuer, dass Reisefuehrer, -foren und -voelker das Reisen in “landesueblichen Transportmitteln” propagieren. Man fuehlt sich dann kulturell echt so ’n Stueck weit integriert, weisstu? Nee, weiss ich nicht, ich fuehle mich da kein Stueck integriert, ich muss den vielfachen Preis von dem normalen zahlen, bin nach der Bezahlung meinem Fahrer voll ausgeliefert und kenne nicht mal die Verhaltensregeln, was bei einem Zusammenprall mit einer Kuh zu tun ist (“brace, brace!”). Gut, es ist wirklich billig. Man bringt mich dafuer von a nach b, ansonsten habe ich keine Rechte. Ich habe keinen Anspruch auf einen Sitzplatz, Sauerstoff oder aufrecht gehende Mitreisende, und ich moechte daran erinnern, dass ich bereits fuer europaeische Massstaebe gross bin. Es ist ok, und ich mache es mit, aber ich werde nie, NIE behaupten, dass diese Folter mir Einsicht in lokale Kulturformen bietet. Wer mal einen ausgebrannten Laster auf einer afrikanischen Strasse gesehen hat, versteht mich vielleicht besser. So. Und jetzt auf zur Grenze und die kleinen Scheine bereit halten!

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