Es ist passiert. Barbara und ich haben uns getrennt. Es ging einfach nicht mehr, sie wollte immer weiterfahren und ich wollte meine Ruhe. Nun ja, so ganz ueberraschend kam es nicht, es war ja klar, dass das nicht ewig so weitergehen konnte, und immerhin 38 Tage durch fuenf Laender sind eine Zeit, die uns niemand nehmen kann. Falls jemand in Betracht ziehen sollte, eine Overlanding Tour zu machen, moege er/sie bitte folgendes beachten:
- Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deines Reisetempos sein. Du wirst dich Barbaras Rhythmus anschliessen muessen, und das heisst nicht “lass uns vormittags mal Richtung Norden fahren”, sondern “tents down by 5:30, quick breakfast, ready to go at 6:00”.
- Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deiner Reisedestination sein. Barbara sagt dir vorher, wo du hinfahren wirst, und entweder bist du damit zufrieden oder nicht. Das solltest du dir vorher ueberlegen. Barbara ist es natuerlich egal, ob es dir auf Campingplatz Ganznahamstrand gut gefaellt und du laenger bleiben moechtest, sie muss naemlich weiter, und zwar nach Kapstadt.
- A propos Camping: Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deiner grossen Gelenke (Schulter, Knie, Huefte) sein. Ich bin nicht zimperlich, aber 38 Tage ohne Bett sind ausreichend.
- Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deines eigenen Alterungsprozesses sein. Es wird davon ausgegangen, dass du dich den juengsten Barbara-Bewohnern anpasst, und wenn du Pech hast, hat der juengste gerade “Bier aus Trichter saufen” fuer sich entdeckt.
- Du wirst nicht mehr Herr/Herrin deiner koerperlichen Beduerfnisse sein. Du wirst dann Hunger haben, wenn es Essen gibt, und dann schlafen, wenn die Sonne untergeht. Und alles andere analog.
- Barbara wird immer fuer dich da sein. Barbara ist deine Oase, dein Schlachtschiff, dein treuer Gefaehrte. Innerhalb von Barbara gibt es nichts Boeses (ausser den britischen Charts), keine Korruption an der Grenze, keine penetranten Postkartenverkaeufer, es gibt nicht mal Malaria. Barbara gibt dir Vertrauen in einen Kontinent, von dem alle behaupten, er sei verteufelt und verhext und verdammt und noch viel schlimmeres. Und das ist eine sehr gute Vorbereitung auf das, was folgen wird.
Barbara wird immer einen Platz in meinem Herzen haben…
Auf Barbara folgt eine kurze Einfuehrung in das Expat-Leben in Lilongwe, oder, wie Fietchen sagen wuerde, in Li-La-Langeweile. Lilongwe mag nicht spannend sein, ist mir aber wesentlich sympathischer als Kampala oder Nairobi, wo ein Mzungu-Leben im Verkehr nichts wert ist. Masu verstieg sich zu einem Vergleich zwischen Berlin und Lilongwe (Strassenbreite), so weit wuerde ich nicht gehen, aber Platz ist definitiv da. Entwicklungspotential. Wir sahen zum ersten Mal nach sechs Wochen eine Waschmaschine und eine heisse Dusche. Wir sahen ein grosses Haus und einen noch groesseren Garten, die gut bewacht werden wollen. Wir sahen – nur in der Zeitung – ein malawisches homosexuelles Paerchen, das in erster Instanz zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde wegen ihrer Hochzeitsplaene. In der Bevoelkerung stoesst die Hoechststrafe anscheinend auf Begeisterung, die Expats macht sowas verstaendlicherweise eher ungluecklich.
Seit drei Tagen sind wir nun tatsaechlich auf uns alleine gestellt, denn wir fahren in den Urlaub! Zwei Wochen Mozambique, bitte. Keine Barbara, kein Auto, nur der Nah- und Fernverkehr und wir. Nach der ersten Panikattacke aufgrund der Menschendichte und der einbrechenden Daemmerung in einem Minibus (Lilongwe-Mangochi in knapp neun Stunden, reine Fahrzeit ca. sechs Stunden, gefuehlt gute 24 Stunden) haben wir uns in den letzten Tagen auf Pick-up Taxis verlegt, auf denen man sich zwar fix einen Sonnenbrand auf die elfenbeingleiche Mzungu-Haut einfaengt, dafuer aber atmen kann. Im Ernst: Ich habe null Verstaendnis dafuer, dass Reisefuehrer, -foren und -voelker das Reisen in “landesueblichen Transportmitteln” propagieren. Man fuehlt sich dann kulturell echt so ’n Stueck weit integriert, weisstu? Nee, weiss ich nicht, ich fuehle mich da kein Stueck integriert, ich muss den vielfachen Preis von dem normalen zahlen, bin nach der Bezahlung meinem Fahrer voll ausgeliefert und kenne nicht mal die Verhaltensregeln, was bei einem Zusammenprall mit einer Kuh zu tun ist (“brace, brace!”). Gut, es ist wirklich billig. Man bringt mich dafuer von a nach b, ansonsten habe ich keine Rechte. Ich habe keinen Anspruch auf einen Sitzplatz, Sauerstoff oder aufrecht gehende Mitreisende, und ich moechte daran erinnern, dass ich bereits fuer europaeische Massstaebe gross bin. Es ist ok, und ich mache es mit, aber ich werde nie, NIE behaupten, dass diese Folter mir Einsicht in lokale Kulturformen bietet. Wer mal einen ausgebrannten Laster auf einer afrikanischen Strasse gesehen hat, versteht mich vielleicht besser. So. Und jetzt auf zur Grenze und die kleinen Scheine bereit halten!
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