Ein neues Kapitel im Band “Dinge, die man mal erlebt haben sollte”: Weihnachten fernab der Heimat. Gut, Weihnachten im Sommer ist schon mal komisch. Viel komischer ist allerdings, dass Weihnachtsstimmung anscheinend wirklich klimatisch bedingt ist, heisst: Auch wenn das Umfeld christlich dominiert und europaeisch-nordamerikanisch gepraegt ist, tut sich bei fruehsommerlichen Temperaturen da gar nichts. Ab und an schallt auch hier im Supermarkt Wham! durch die Regale, an die eine oder andere Strassenkreuzung wird ein LED-Sternchen gehaengt und bei Aldi gibt es Marzipanstollen, das war es dann. Keine Weihnachtsmaenner, kein Geschenkemarathon, keine Tannenbaeume. Das muss nicht unangenehm sein, denn wer steht schon auf Konsumwahn? Ich komme mir trotzdem vor wie der verrueckte Hutmacher bei Alice im Wunderland und muss der Versuchung widerstehen, nicht jedem auf der Strasse zum Nichtweihnachten zu gratulieren.
Nun gibt es zum Glueck Menschen, die einen vor dem Sittenverfall zu schuetzen versuchen, und das sind in den allermeisten Faellen die Muetter. Meine versuchte, Essen ins Land zu schmuggeln. Das ist Hochverrat am Staate Australien, hier darf man nicht mal Dreck unter den Schuhen einfuehren. Jetzt sitzt also irgendwo ein australischer Zollbeamter und mampft meine Schokolade aus dem Adventskalender und Mama und Anni sind sauer. Liebe Mama, zu deiner Frage, was sie mit Immigranten tun, die vor der Einreise Milch getrunken haben: Die Saftschubsen desinfizieren einen noch vor der Landung mit einem Universalspray, das den Kontinent vor allem Schlimmen wie z.B. Hasenplagen bewahren soll. Ok, Weihnachtskulinaria einfliegen lassen ist also nicht. Was macht man in der Not? Weih-nachts-plaetz-chen backen! Fuer mich als grosses Backtalent eigentlich kein Problem, nur: kein Mixer. Ich mir drei Tage lang den Kopf zerbrochen, wie ich jetzt den Teig zusammengematscht kriege, bis ich den Supermarkt betrat und mir schlagartig wieder einfiel, dass ich mich im Land der Instantprodukte befinde. Ich kaufte Pulver und musste hinzufuegen: 1 Ei, ½ Tasse Milch, bisschen Butter. Feddich. Nach dem durchschlagenden Erfolg der Parkplaetzchen vom letzten Jahr gab es dieses Mal uebrigens, in Anlehnung an die Nachbarschaft, Golfplaetzchen. Schmecken so naja. Dafuer habe ich endlich ein Produkt gefunden, das in Australien billiger als in Europa ist. Lebensmittelfarbe. (Zusatzinfo fuer die Opfer vom letzten Jahr: die neue Farbe faerbt auch nicht so von innen…)
Gut vorbereitet also ab in den 1. Weihnachtsfeiertag, der sich dadurch auszeichnet, dass alles geschlossen ist. Soweit nicht ungewoehnlich, ist nur bloed, wenn man zur Feier des Tages mal kein Tiefkuehlgemuese, sondern etwas Fremdzubereitetes zu sich nehmen moechte, was nicht von der bekanntesten Fastfoodkette der Welt stammt. Masu explorierte also erstmal mit dem Fahrrad die nahegelegenen Fressbuden (oeffentliche Verkehrsmittel fallen ja aus) und kam veraengstigt wieder zurueck, weil er vermutete, dass eine hoehere Macht die Menschheit, zumindest die von Elwood, vollstaendig ausgeloescht habe. Zu zweit fuehlten wir uns staerker und liefen in die andere Richtung, wo uns gelegentlich angetrunkene Kleingruppen samt geschultertem Nachschub ein “Merry Christmas” entgegenbruellten. Eigentlich ist das alles reine Strategie, denn der Knaller kommt ja erst morgen: Boxing Day. Die Menschen schonen am 25. ihre Kraefte, um am 26. richtig reinhauen zu koennen. Ein uns bisher unbekannter Commonwealth-Brauch, eine Art Neustart. Boxing Day ist der ultimative Sommerschlussverkaufstag, wo die Geschaefte um fuenf Uhr morgens die ersten auf dem Gehweg campierenden Kaeufer auf die Wuehltische loslassen. Boxing Day ist der Tag, an dem die Saison der langweiligsten Sportart der Welt (Cricket) eroeffnet wird. Boxing Day ist der Tag, an dem die meisten Filme in die Kinos kommen. Boxing Day ist das wahre Weihnachten. Ich muss ins Bett.
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