Man kommt nicht um sie drumrum in diesen bewegten Zeiten: die Demokratie. Die arabischen Voelker haetten sie gerne, Belgien braucht sie irgendwie nicht so wirklich und Italien nuetzt sie nicht viel. Selbst in der BRD wird geschludert, der Verteidigungsminister vergisst in seiner Diss die Fussnoten, mein Lieblings-EU-Parlamentarier Honorarzahlungen in seiner Steuererklaerung, kann ja alles mal passieren! Wer ist eigentlich die Nummer Eins unter den Demokratien? The Economist sagt, das sei Norwegen. Aha. Da laeuft’s ja meistens besser als woanders, keine grosse Ueberraschung. Und welches ist die groesste? Muss man jetzt auch nicht lange rumraten, China kann’s nicht sein, dann ist es wohl Indien. Ich musste mir erstmal gehoerig auf die Zunge beissen, wenn hier die groesste funktionierende Demokratie der Welt propagiert wird – wie kann man behaupten, eine Demokratie funktioniere, wenn ein Grossteil der Bevoelkerung ueberhaupt nicht die Grundvoraussetzungen dazu hat, daran teilzunehmen? Freie und geheime Wahlen stellen Analphabeten vor enorme praktische Probleme; Zugang zu Informationen ist keine Selbstverstaendlichkeit, wenn man auf dem Buergersteig wohnt; und wer profitiert denn tatsaechlich von den gesellschaftlichen Veraenderungen, fuer die wir die Unannehmlichkeiten der Demokratie ueberhaupt auf uns nehmen?
Dank des ersten Regens, den ich in Indien erleben durfte, landete ich in einem – huch!- Museum. Gandhi. Und ueberhaupt die gesamte indische Unabhaengigkeitsgeschichte bis 1948, und als ich so vor diesen ganzen Tafeln stand, ging mir auf, dass es nicht um die perfekte Demokratie geht, sondern darum, dass es ueberhaupt eine gibt. Und das ist, nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft, in einem sprachlich und religioes vielfaeltigen Land mit einer schier unglaublichen Anzahl von Menschen doch wirklich ein Wunder! Und natuerlich, dass ein kleiner, duenner Mann in Holzsandalen einen grossen Anteil daran hat.
In Pondicherry gibt es neben Croissants und Polizisten mit roten Hueten einen sehr beruehmten Ashram. Sri Aurobindo, ebenfalls Unabhaengigkeitskaempfer, fand seinen spirituellen Zwilling in einer Franzoesin, die man “die Mutter” nennt, und praktizierte mit Leidenschaft integrales Yoga. Was das nun genau ist, konnte auch mein Besuch des Ashrams nicht klaeren, trotzdem gewann ich interessante Einblicke in den Totenkult. Die beiden Gurus sind naemlich beide oeffentlichkeitswirksam im Innenhof des Ashrams bestattet, wo sich dann die Besucher je nach Beduerfnis drauf werfen und beten koennen. Mir war nur nach Zugucken, da wurde ich allerdings darauf hingewiesen, dass mein Koerper sich nicht im korrekten Winkel zum Grab befand, also bitte! Der Rueffel trieb mich in das Informationszentrum, wo ich mich aufgrund der Touristendichte nicht in der Lage sah, mich ausfuehrlich in das Thema transzendentales supramediales integrales Yoga einzulesen, dafuer aber folgenden Satz aufschnappte (kein Zitat, keine Fussnote, is klar, oder?): Das schlimmste Verbrechen, das man Kindern antun koenne, sei, sie in der Obhut von Dienern zu lassen, da diese von vulgaerem Wesen seien und dies unbeabsichtigt auf die Kinder uebertragen wuerden. Danke, auf Wiedersehen.
Das hier ist fuer alle Muetter:
Zweiter Versuch: Auroville. Ein Projekt, eine universelle Stadt, eine Utopie. Alles, was Touristen zu sehen bekommen, ist das spirituelle Zentrum der (noch zu bauenden) Stadt, eine Art goldener Riesengolfball, in dem man angeblich lernen kann, sich zusammen mit einem grossen Kristall zu konzentrieren. Angeblich funktioniert das Konstrukt ganz wunderbar, angeblich sind alle happy. Ich weiss es nicht, aber ich wuerde es gerne wissen. Oder zumindest glauben, dass es wahr ist.