Im Zuge seiner Ruecktrittsankuendigung von den politischen Aemtern bat mich der Dalai Lama um eine Audienz. Kein Ding, ich komme doch gerne und helfe, wo ich kann! Angekommen in Exil-Tibet (Dharamsala, Himachal Pradesh) musste ich jedoch feststellen, dass es sich um ein Missverstaendnis handelte: Er wollte gar nicht mit mir ueberlegen, wie er nicht der naechste Gaddafi werden koennte, sondern vielen Menschen ein bisschen was ueber der Buddhismus beibringen. Kann auch nicht schaden. Fuer die Teilnahme an so einer Veranstaltung muss man sich erstmal registrieren lassen, keine grosse Sache, allerdings pupste ein ukrainischer Kameramann so dermassen die Bude voll, dass der Registriermann erstmal draussen Luft schnappen musste. Gut, dass es keinen Geruchsblog gibt.
Neben der Eintrittskarte soll man ausserdem mitbringen ein Kissen, ein Radio und eine Tasse. Kissen ist klar. Im Tempel gibt es keine Stuehle, und Blasenentzuendung findet niemand gut. Findige Besucher haben ein Ritual etabliert, das man eigentlich nur von den All-Inclusive-Teutonen kennt, die Lakenreservierung. Im Tempel schmeisst man nicht sein Ikea-Handtuch auf die Liege, sondern ein mit seinem Namen versehenes Kissen auf den Boden, moeglichst an eine Stelle, von der man sich die beste Sicht und/oder den hoechsten Sitzkomfort verspricht. Wir wussten nichts von diesem Habitus und latschten morgens einfach sehr frueh mit Decke zum Tempel, fanden ein freies Eckchen und meditierten so vor uns hin, bis zwei Stunden spaeter eine Franzoesin zwischen zusammengepressten Lippen hervorzischte, dass sie diesen Platz bereits vor zwei Tagen reserviert habe. Schon ganz benebelt von der ganzen Spiritualitaet wollte ich selbstlos das Territorium raeumen, als sie sich ihrer Freundin zuwandte und sich mal kurz ungefiltert in Landessprache ueber uns ausliess, was mich in meinen Lotussitz zurueckplumpsen liess. Bisschen mehr buddhistische contenance, madame! Tatsaechlich hatte nach wenigen Stunden jeder einen Platz gefunden, und soweit ich es ueberblicken konnte, lief es ohne Traenen, Blutvergiessen und urinales Reviermarkieren ab. Kaum sitzen alle, stehen sie wieder auf fuer den Dalai Lama. Der sieht aus wie im Fernsehen und spricht das herzallerliebste asiatische Englisch, wo es nicht so sehr auf Verben oder Artikel ankommt. Ich hatte angenommen, dass ich vor Ehrfurcht erstarren wuerde, aber der Herr Lama ist einfach ein sehr netter aelterer Herr, dem viele Dinge im Leben Freude bereiten. Er findet es z.B. sehr lustig, dass ein Mensch auf einem Elefanten reiten kann, der Mensch ist ja viel kleiner als der Elefant, nur ein kleines bisschen schlauer: “People can ride elephant, man is sooo small, but soooo intelligent, sooooo intelligent!” Da lacht er sich tot und der ganze Tempel muss mitkichern. Da aber viele Tibeter gekommen sind, darf der Dalai Lama nicht die ganze Zeit Englisch reden, sondern tibetisch. Als Nichttibeter dreht man einfach das Miniradio auf die passende Frequenz und kriegt einen Uebersetzer auf die Ohren, der keinen leichten Job hat, weil der Dalai Lama anscheinend auch auf tibetisch gerne mal fragmentarisch spricht und ab und an auch mal einen Witz auf Englisch einschiebt, den der Uebersetzer dann automatisiert einfach ins Tibetische dolmetscht, was man selber aber nicht so schnell mitkriegt und dann ist auch schon wieder zu spaet. Egal, Dalai Lama freut sich. Zwischendrin wird nochmal Pause gemacht, kurzes Trinkgebet und dann schenken die Kochmoenche Tee aus. Supi, da haben wir doch schon stundenlang mit der Tasse in der Hand drauf gewartet! Problem is, is Buttertee. Einfach mal zu Hause nachmachen, Butter im Topf schmelzen lassen, Schuss Milch dazu und trinken. Koestlich!
Ansonsten waren wir als Anfaenger-Buddhisten mit der Thematik etwas ueberfordert, fanden es aber wirklich sehr nett, dass wir dabei sein durften. Ueberhaupt kann man jeden Tag in den Tempel gehen und den Moenchen zuhoeren, die unglaubliche Toene produzieren koennen. Oder DVDs ueber Tibet gucken, weil man sich mal wieder total uninformiert fuehlt. Oder ins Museum gehen. Oder in die Berge wandern. Oder Souvenirs kaufen. Oder sich auf das Ende vorbereiten.