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Wieder hat Afrika sich an kein einziges Vorurteil gehalten! Trotz Umsteig-Zwischenstopp-Airlinewechsel-Propellermaschinen-Flug kamen wir ohne Verspaetung, dafuer mit Gepaeck in Dar es Salaam an. Dar ist vor allem eins: heiss. Unangenehm heiss. Besonderes Geruchserlebnis ist der Fischmarkt in der Nachmittagssonne, neben dem man stundenlang ohne Klimaanlage im Stau steht. In unserer neuen Unterkunft wurden wir von unserem neuen Gastgeber, dem Franzoos, herzlich mit “Elloooo Leddies, welkamm ooohm!” begruesst. Das neue Heim (Banda Nr. 15) sieht von aussen deutlich einladender als von innen aus:

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Banda

8qm, Doppelbett, keine Fenster, mit Badezimmer (Salzwasser, ausschliesslich). Nina und Annika on honeymoon! Der Ausblick entschaedigte uns aber fuer einiges…

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Room with a view

Es waere alles ganz romantisch gewesen, wenn der ugandische Hahn ohne Biorhythmus, der uns bis dato noch vor den Gluecksbaerchis aus Ninas Handy geweckt hatte, nicht abgeloest worden waere durch einen unmusikalischen Muezzin. Der konnte nicht schoen, aber sehr laut und ausdauernd singen, nee, rufen. So ab 4:00 morgens, open end.

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Dar es Salaam Skyline

Neues Land, neue Transportmittel und -wege! Um ins Stadtzentrum zu gelangen, mussten wir eine Shuttlefaehre nutzen, die eine gelungene Kreuzung aus U35 und MS Schwalbe darstellt.

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U35 aka MV Magogoni

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MS Schwalbe

Diese Faehre kann mit jeder Art von Transportmittel genutzt werden, am geeignetsten schien uns das Bajaj, das in anderen Teilen der Welt als Tuk-Tuk oder Rikscha bezeichnet wird. Unser neuer Freund Henry schaffte es jeden Tag, uns an der wartenden Schlange vorbeizuschleusen, und zwar mit unlauteren Mitteln (falsch herum durch Einbahnstrassen, konstantes Weggehupe von Fussgaengern, diverse Beschleunigungsgelder, etc.). Es besteht ausserdem begruendeter Verdacht, dass er uns am Ticketschalter als Behinderte ausgewiesen hat, um schneller an Deck zu kommen.

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Henry, Bajaj, Passagier

Highlights der ersten Arbeitswoche:

  • Der erste Botschaftsbesuch (wir sagen jetzt mal nicht welche) offenbarte, dass man dort im Dienst Flipflops tragen darf. Allerdings war auch die Klimaanlage kaputt.
  • Ueber das tansanische Justizsystem erfuhren wir, dass Aktenfuehrung ein Problem ist. Zitat: “Gehen Sie mal im Gericht in die Registratur, da fallen Sie tot um!”
  • Bei einer Vergabestelle wurden wir erneut des Feldes verwiesen, weil wir nicht nachweisen konnten, dass wir von Markus zu Forschungszwecken angeheuert und dazu auch authorisiert worden waren. Dafuer wurden wir dieses Mal nicht verhaftet.
  • Ein vermeintlicher Wissenschaftler, der uns freundlich begruesste mit “Welcome to Tanzania, welcome to Islam”, zu Vergaberecht aber nicht so viel zu sagen hatte.
  • Eine Zweigstelle der Vergabebehoerde im Industriegebiet, wo es wieder mal aussah wie bei der Opelscheune. Dort wird Benzin und Druckerpapier gehortet. Wir sind immer noch stolz, dass wir das ueberhaupt gefunden haben! Innen allerdings im Kontrast ausgestattet mit roten Plueschsofas und Plastikblumen.
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Opelscheune II

Sonntags machten wir einfach mal nix.

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Puhlen

Wie immer hatten wir Gesellschaft von wunderlichen Menschen, von alten und von neuen Freunden. Da waeren: Die Besatzung des Tucan-Trucks Tom, die uns bereits aus Nairobi und Kampala bekannt waren; ein Paerchen, das einem James-Bond-Film entsprungen war und die karge Herberge in grosser Abendgarderobe aufsuchte; eine Jesus-Reinkarnation, der uns ein neues Barspiel beibrachte (Silvesterboeller hinter die Bar schmeissen, wenn keiner hinguckt); und alternde Suedafrikaner, die gerne ihre rassistischen Lebensweisheiten mit uns teilten.

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Mikadi Beach

Zum kroenenden Abschluss besuchten wir die Pan-Afrikanische Antikorruptions-Konferenz im feudalen Serena-Hotel. Dort gibt es eine Klimaanlage, und die ist entweder an oder aus. Meistens war sie an, und seitdem hat Nina Maralia. War aber ansonsten ganz spannend, einige neue und auch bekannte Gesichter, aber wie es immer so ist: Wenn es am schoensten ist, soll man aufhoeren.

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Hausstrand

Und jetzt: Sansibar oder der letzte Grund!

We monitor compliance

Kenya Airways ist gar nicht so schlimm, es sei denn, man sitzt neben Chinesen! Aber auch das ging vorueber, und wir wurden mittels Namen-Pappschilds am Flughafen Entebbe puenktlichst und herzlichst empfangen. In der Herberge wartete bereits ein einaeugiger Rezeptionist mit einer dreibeinigen Katze (lt. Nina beide aber ansonsten “gut in Schuss”) darauf, uns in unsere Gemaecher zu fuehren. Die Villa Piri-Piri verfuegte ueber 60qm Lebensraum mit Kueche und Wohnzimmer, welch Luxus!

Villa Piri-Piri

Villa Piri-Piri

Im Garten befand sich ein Pool, der geraeumig Platz fuer zwei Personen bot, daher hier auf besonderen Wunsch die ersten Bikini-Fotos.

Baywatch

Baywatch

Samstag ist nicht nur Bade-, sondern auch Waschtag, und das wird hier selbstverstaendlich mit der Hand erledigt!

Saturday is laundry day

Saturday is laundry day

Zu Anfang der Woche beschlossen wir, dem Grossstadtleben noch aus dem Weg zu gehen, und luden unsere Interviewpartner zu uns nach Hause ein. Die Socken haben wir vorher abgenommen. Ab Dienstag wurden wir dann aber wild und befuhren alles, was sich anbot. Boda-Bodas (Motorradtaxis) bieten sich immer an, allerdings besteht keine Helmpflicht…

Careless driving

Careless driving

Careful sitting

Careful sitting

Lohnenswert war der Besuch des ugandischen Parlaments, wo wir zunaechst ca. 8 Stationen durchliefen, bevor wir ohne Geld, Handy oder sonstiges in den Plenarsaal gelassen wurden. Die Sitzung erinnerte stark an einen britischen Karnevalsverein aus dem 19. Jahrhundert. Der Parlamentssprecher sitzt unter einem betagten Samtbaldachin, vor dem sich die Zuspaetkommenden verbeugen muessen (also alle), hat ein goldenes Zepter und eine ehemals weisse Loeckchenperuecke. Er wird eingelassen von zwei Traumschiffkapitaenen, die den Rest der Zeit damit beschaeftigt sind, Zettelbotschaften zwischen den Abgeordneten hin und her zu tragen. Waehrend der Debatte lief ein munteres Reise nach Jerusalem-Spiel: Wer was zu sagen hat, verliert seinen Sitzplatz, weil die anderen Nachruecken. Das ist besonders dann lustig, wenn der Redner sich wieder auf seinen alten Platz fallen laesst, ohne zu merken, dass der schon anderweitig belegt ist…

Terminlich laeuft alles weiter wie am Schnuerchen. Kurzfristig entstand Verwirrung, als wir nett von einem Mitarbeiter einer grossen deutschen Implementierungsagentur begruesst wurden, und erst einige Zeit spaeter feststellten, dass es der falsche Mann war. Seitdem wissen wir, wofuer es Visitenkarten gibt. An einem der Grosskampftage hatten wir nicht mal Zeit fuer ein angemessenes Fruehstueck, weswegen wir nach dem dritten (!!!) Termin ein Chapati am Strassenrand kauften und kauten. Das war ein interkultureller Super-GAU, da in Uganda auf der Strasse nicht gegessen werden darf. Wir folgten daher der freundlichen Einladung in den Rezeptionsschuppen des Gesundheitsministeriums, wo Nina und der Rezeptionist Vincent erstmal ihre Personalausweise tauschen mussten, bevor weitergegessen werden konnte. Namen sind hier sowieso ein Problem, es gibt naemlich keine richtigen Vor- und Nachnamen. Es gibt nur “name” und “the other name”. Nina zu Vincent: “ You know, in our country, we put the first name… hm… first.” Fand Vincent nicht einleuchtend.

Vincent & Reit

Vincent & Reit

Da wir den Auftrag von unserem Vorgesetzten hatten, auch mal Spass zu haben, knuepften wir schnell Kontakte mit Eingeborenen. Das ist an sich nicht schwierig. Falls wir mal kein Geld mehr haben sollten, verkaufen wir uns gegenseitig. Mit unseren neuen Freunden teilten wir die eine oder andere Pizza und wurden schliesslich zum Kochabend in die Lehmhuette eingeladen, wo wir mit unseren Schnippelfertigkeiten beeindrucken und beweisen konnten, dass wir tatsaechlich zu Hause kein Personal beschaeftigen.

Godfrey & Nina

Godfrey & Nina

Anthony & Annika

Anthony & Annika

An unserem freien Samstag fuhren wir mit Gutfried nach Jinja und bewunderten die Quelle des Nils, den Regenwald, Tee- und Zueckerrohrfelder. Auf dem Rueckweg wurde Gutfried und damit auch wir mal wieder festgenommen. Zuerst wegen telefonieren am Steuer, da das aber widerlegbar war, wegen Alkohol am Steuer, was nicht widerlegbar war, aber auch nicht ueberprueft wurde. Es bestand die Wahl zwischen Auto abschleppen, eine Nacht im Gefaengnis fuer Gutfried und verpasster Flug fuer uns plus 300 USD Strafe oder aber Bestechung des Polizeibeamten. Wir entschieden fuer die zweite Option (billiger und schneller). Das war tatsaechlich ein extrem unangenehmes Gefuehl…

Der Nil

Der Nil

Der Nil & wir

Der Nil & wir

Der Nil, Nina und Godfrey

Der Nil, Nina und Godfrey

Trotz allem hat uns Kampala sehr gut gefallen, weniger Smog, mehr Shopping (wir passen jetzt in Groesse 34 auf der afrikanischen Groessenskala!), mehr gruen, mehr Pizza, mehr Fruehstuecksauswahl,… Als naechstes werden wir eine Propellermaschine der tansanischen Fluggesellschaft besteigen, aber vielleicht hoeren wir nochmal voneinander!

Our mission

Our mission

Es gab also Burger…

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Abendbrot

Jede schoene Woche beginnt mit einem Montag, fuer Bedienstete des oeffentlichen Dienstes erst mittags, was die Fahrzeit auf grandiose 90 Minuten reduzierte. Wir schlugen puenktlichst bei der Kenya Airport Parking Services auf, endlich mal einen Bieter sprechen, und zwar einen sehr netten, wo es Ananassaft und Plaetzchen gab. Danach nahm das Schicksal seinen Lauf mit einer Fahrt ins praetenzioese Gigiri, wo die UN, die US-Botschaft und die Deutsche Schule wohnen. Leider schafften wir es nicht mit Ninas abgelaufenem Personalausweis auf den UN-Campus, daher trafen wir unseren UN-Kontaktmann in der UN-Coffee Lounge oberhalb des UN-Swimming Pools und luden ihn auf eine Cola Light ein. Es gab schockierende Einblicke in die politische Lage im Land: Korruption, Korruption, Korruption. Als Kenianer hat man (lt. Kontaktmann) drei Optionen: Be part of the system, leave or remain poor. Na bravo! Diese bahnbrechenden Neuigkeiten kosteten uns weitere zwei Stunden Autofahrt und 6.000 Ksh. Schoen fuer Paul…

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Motto der Woche

Dienstag war mit Arbeit gesegnet, vorlaeufiger Rekord in Sachen Interviewfrequenz und Fahrzeit pro Strecke (6 Stueck / 150 Minuten). Da wir den ersten Termin verschieben mussten, hatten wir Zeit fuer einen Spontanbesuch beim Procurement Manager der University of Nairobi.

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Was sich niemand zu sagen traut…

Das Gespraech war kurz, aber eindrucksvoll. Wir hatten zwar Visitenkarten, wurden aber trotzdem als Spione der Regierung oder Terroristen eingestuft, da wir die entscheidende Frage nicht beantworten konnten: “Have you been cleared” Wir : “Watt???” Er: “CLEARANCE!”. Um eine Eskalation zu vermeiden, gingen wir freiwillig in die Mensa.

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Annika arbeitet in der Mensa

Und von dort zum IEE-Pendant von Nairobi, die wiederum sehr, sehr nett zu uns waren. Aus Hoeflichkeit musste Annika dort eine komplette Tasse Milch zu sich nehmen, die kurz mal am Tee vorbeigerutscht war. Puh. Weiter ging es zum Kenya Institue Supplies Management zu Hedwig, Head of Secretariat. Hedwig ist ein Mann. Ein kenianischer Mann. Das ist auf den ersten Blick wirklich sehr verwirrend! Dann noch alte (Chairman der kenianischen Vergabekammer) und neue Bekannte (Vergabeanwaelte) und zwischendrin ein Taxifahrer, der uns doch tatsaehlich im Taxi einsperrte, weil wir nicht bereit waren, den Preis zu zahlen, der dreimal so hoch war wie vereinbart. Frech. Immerhin konnten wir ihn runterhandeln und kamen frei. Zum Glueck holte uns Paul mit Staceys Bruder Tupac ab, einem Land Rover ohne Saugrohr und ohne Sitzmoeglichkeiten fuer Personen ueber 1,79m im hinteren Teil des Wagens. Netterweise ist Paul aber Umwege ueber Asphaltstrassen gefahren, damit Nina sich die Schaedeldecke nicht am Wagendach zertruemmerte (obwohl sie ihm versicherte, dass sie ihren Kopf am Abend nicht mehr brauchen wuerde).

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Nairobi Skyline

Nach diesem erfolgreichen, aber ermuedenden Tag schoben wir Termine auf dem Land in Karen ein, um am Donnerstag wieder frisch gestaerkt und zum letzten Mal in der Innenstadt aufzuschlagen. Eigentlich waren wir eingeladen zu einem Workshop in Narok, was landschaftlich und auch inhaltlich ein Highlight gewesen waere, passte aber zeitlich leider nicht mehr. Bei der Vergabebehoerde war es stattdessen nett wie sonst auch, dann trieben uns ein wenig im Traejscherrie herum, wo die Stimmung wie immer praechtig war,

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Nina arbeitet im Traejscherrie

und entschlossen uns zu einem Verdauungsspaziergang in Nairobi City Center. Wertgegenstaende wurden sicher im Schuh verstaut, Sicherheit geht vor! War trotzdem keine gute Idee, wir sind zwar nicht ausgeraubt, erschossen oder ueberfahren worden, allerdings nur knapp dem Smogtod entronnen. Nachdem wir die freie Zeit bis zum naechsten Termin optimal ausgenutzt hatten, mussten wir leider feststellen, dass die Kontaktfrau leider nicht da war. Hm. Also die ueblichen zwei Stunden auf Paul warten, in denen Annika heldenhaft Nina vor Malaria bewahrte, indem sie die Aufmerksamkeit der Muecken auf sich selbst lenkte.

Letzter Abend! Gab Kaffee und Kuchen!

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Kaffee

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Kuchen

Dann nur noch Abschiedsschmerz von unseren Lieben. Kein Schoener Wohnen mehr mit Dougie, keine lustigen Fahrten mehr mit Paul und Stacey, keine Burger mehr… Kampala nur noch eine Kenya Airways-Stunde entfernt!

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Paul & Stacey

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Jede gute Dienstreise beginnt im Mitropa-Wagen der Deutschen Bahn. In unserem Fall mit nur einstuendiger Verspaetung (Personen auf der Fahrbahn in Essen-Kray) und mit warmen Speisen und Getraenken erst ab Koeln. Also alles wie immer. In Frankfurt lernten wir dann unsere Mitreisenden kennen, die allesamt Hannelore und Guenther hiessen, in Ausfuehrung Fruehrente und Honeymoon verfuegbar, alle mit schicken Safari-Hueten der Hausmarke von Decathlon gekleidet. Wir verstanden recht schnell, dass es sich nicht um einen Flug mit Business-Kaspern nach Nairobi handelte, sondern um den Mombasa-Touribomber mit Zwischenlandung in Nairobbery. Obwohl wir beide muede und gross waren, keine Plaetze am Notausgang mehr frei. Skandal. Also Plan B: Annikas letzte Reihe Trick, der uns immerhin 4,5 Plaetze fuer zwei Personen bescherte und entsprechend viele Condor-Decken. Zur Begruessung gab es Gin Tonic, erste gute Nachricht des Tages! Bei Ankunft kam unser gebuchter Flughafen-Transfer – Ueberraschung! – nicht. Machte nichts, Taxifahrer gibt es ja viele. Aergerlicher dagegen war, dass auch bei unserer Unterkunft niemand anzutreffen war, weil der Chef immer erst um 9 Uhr kommt. Selbst die beiden ausgebildeten Wachhunde Yellow und Blackie ignorierten uns. Unser gebuchtes Luxus twin-bed-ensuite-Zimmer hatte dann leider doch kein Badezimmer, das war uns aber schon erstaunlich gleichgueltig. Waehrend wir die ersten baked beans von vielen zum Fruehstueck verspeisten, beobachteten wir aus dem Augenwinkeln, wie verschiedene Betten hin und her geschleppt wurden, und kaum war der Chef anwesend, war schwuppdiwupp das Komfortzimmer fuer uns umgebaut worden. Ab dem zweiten Tag gab es sogar heisses Wasser, dafuer aber keinen Waermeregulierer, aber wir moegen ja warm!

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Karen Camp von vorne

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Muellabfuhr

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Black & Yellow

Warm ist ein gutes Stichwort, denn Nina musste schmerzlich feststellen, dass es in Afrika sehr kalt sein kann. Danke an Juergen, der dringend von einer zweiten Fleecejacke abgeraten hat! Es ist zwar nicht unbedingt kaelter als in Bochum, allerdings fehlt die Heizung und die Doppelverglasung. Mittlerweile regnet es aber nur noch nachts, wir sind also auf dem aufsteigenden Wetterast. Zurueck zum Chef: Der heisst Dougie, ist eigentlich Neuseelaender und seine Diaet ist schon etwas laenger her. Dougie besitzt zwei Shorts, die er im Wochenwechsel zu tragen pflegt. Eine ist tuerkis, von der anderen wissen wir es nicht genau. Dougie hat ungefaehr sieben Autos, von denen er das schrottigste auswaehlte, um uns netterweise zur naechsten Shopping-Mall zu fahren. Dort verbrachten wir gefuehlte sechs Stunden, um mit zwei Telefon-Simkarten, aber ohne Internet-Simkarte zurueckzukehren. Zum Glueck hatte Dougie aber noch was in Reserve, so dass wir nun voll ausgestattet sind. Die Internetnutzung des campeigenen WiFis beschraenkt sich auf die arbeitnehmerfreundlichen Zeiten 7:30-8:00 sowie 13:30-14:00, und zwar ausschliesslich auf das Abrufen von Emails, was Nina konsequent missachtet.

Unsere Mitbewohner setzen sich zusammen aus zwanzigjaehrigen Missionaren aus dem gelobten Land Texas, versprengten Overland-Teilnehmern und Individualreisenden mit eher aussergewoehnlichen Biografien und Autos mit Saugrohren. Gerne treffen sich hier auch am Wochenende aus der Kolonialzeit uebriggebliebene Englaender zum froehlichen nachbarschaftlichen Barbecue oder auf eine Cheesy German Sausage (9 inches). Wir kennen uns mittlerweile recht gut mit landesueblichen Kneipenspielen aus, die in Deutschland allerdings verboten sind (cf. Verkehrssicherungspflicht). Die Speisekarte setzt sich zusammen aus den bereits erwaehnten baked beans und pub grub. Also Burger. Ist aber ganz lecker. Zur allgemeinen Enttaeuschung sei noch gesagt, dass wir weder vom Essen krank geworden sind, noch von wilden Insekten angegriffen wurden.

Karen Camp Parkplatz

Karen Camp Parkplatz

Es folgte ein erster Ausflug nach Nairobi City Center zwecks Orientierung, vor dem wir von unserer Herbergsmutter Anne gewarnt wurden, wir duerften ausschliesslich mit Bewaffneten sprechen. Wir lernten unseren privaten Fahrer Paul und sein Auto Stacey kennen, der leider auch nicht verhindern konnte, dass Nina im Smog fast erstickt waere. Davor hatte uns keiner gewarnt, ebenso nicht vor den rush hour Zeiten, so dass wir fuer den Rueckweg ins beschauliche Karen lediglich 120 Minuten benoetigten. Das City Center umfasst ca. acht Querstrassen, ist ungefaehr so sicher wie Wattenscheid nachmittags und recht frei von Sehenswuerdigkeiten.

Unsere ersten Interviews waren sehr ergiebig, sogar besser als erwartet. Wir begannen mit Transparency International und der Weltbank (Adel verpflichtet oder: nicht kleckern, klotzen), es folgten die Konrad-Adenauer-Stiftung und die uns bereits bekannten Gesichter der GIZ. Spontan besuchten wir noch ein College, das sich im 9. Stock eines Hochhauses befand, das zwar nicht ueber Strom, aber ein begehbares Holztreppenhaus verfuegte. Wir interviewten einen hochrangigen Mitarbeiter des Instituts, leider stellte sich erst am Ende des Gespraechs heraus, dass es sich nicht um einen oeffentlichen Auftraggeber handelte. Trotzdem oder gerade deswegen sehr interessante Einsichten! Auf der Fahrt vom GIZ-Haus zum sogenannten Treasury (sprich: Traejscherrie, das ist das Finanzministerium) passierte Paul ein kleines Missgeschick, oder wie er sagte: “I pushed the other car”, was allerdings folgenlos blieb. Das Treasury verfuegt ueber mehrer Aufzuege und hat bereits unsere Idee des Mitarbeiterfahrstuhls an der RUB umgesetzt, Respekt! Sollte jemand mal zu Besuch im Treasury sein und die Toilette benutzen muessen, unbedingt die von der Sekretaerin ausgehaendigte Klorolle entgegennehmen und dabei nicht lachen! Zitat Nina: “Treasury ist wie Campingplatz am Biggesee”. God bless you.

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Buero

Da wir fleissige Bienchen sind, arbeiten wir auch Samstag im Country Club, wo wir ein Treffen mit Humphrey ausgemacht hatten. Es war uns entfallen, um wen es sich genau handelte, also begannen wir das Gespraech mit: “Sie promovieren also zum Thema Vergaberecht?!” Antwort: “Richtig. Nebenberuflich bin ich auch Abgeordneter im Parlament.” Da war es uns kurzfristig etwas unangenehm, dass wir zu spaet gekommen waren, weil Paul auf dem Weg verhaftet worden war wegen illegaler Personenbefoerderung. Die Polizistin stieg zu uns in den Wagen, begruesste uns freundlich und sprach zu uns: “I have arrested your driver and I will take him to the police station.” Das war nicht ganz korrekt, denn ER fuhr SIE ja zur police station, da sie gar kein Auto hatte. Die Wache sah aus wie eine Filiale der Opel Scheune, und nachdem eine “Kaution” gezahlt wurde und der Gerichtstermin im Amtsgerichtsbezirk Kibera (das ist der zweitgroesste Slum von Subsahara-Afrika) feststand, konnten wir unsere illegale Fahrt fortsetzen. Der Abgeordnete war auch nicht boese ob unserer Verspaetung, sowas passiert eben.

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Karen Police Station

Am Tag des Herrn goennten wir uns eine Pause und fuhren statt zur Kirche zu einem Elefanten-Waisenhaus. Die Elefantenbabies waren natuerlich unglaublich niedlich und wir im Merchandising-Shop, woraufhin wir nicht mehr genuegend inlaendische Devisen fuer das Giraffen-Center hatten. Der Dollar-Notgroschen half, und die Giraffen, Schildkroeten und Warzenschweine waren genauso niedlich. Giraffen haben blaue Zungen, 32 Zaehne, 7 Halswirbel und werden in Gefangenschaft 25-30 Jahre alt. Verstoerenderweise heissen sie alle Daisy. Nun werden wir zur Feier des Tages Pizza statt Burger essen und die Al Jazeera-Version des Tatorts gucken.

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Langata Giraffe Center

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Aussicht

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Baby-Elefant

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Noch ein Baby-Elefant

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Daisy

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Schnarchendes Warzenschwein

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Alte Herren

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Daisy von hinten

Fazit: Es geht uns praechtig, die Fleecejacken mueffeln und wir starten morgen in eine verheissungsvolle zweite Interviewwoche. Freut euch jetzt schon auf Hedwig!

P.S.: Der Abend lief nicht wie erwartet. Wir wurden von einem indisch-ugandischen Pilzzuechter abgefangen und auf eine Sikh-Party eingeladen. Es gab dann doch wieder Burger…

Auf die Ohren, fertig, los!

Für die Lesefaulen mal was ganz neues. Oder im iTunes Store. Enjoy!

Eine Deluxe-Busfahrt, zwei Flüge und einen Monat später ist der Dalai Lama sehr weit weg, wie er hier so neben mir auf dem Sofa sitzt. Wie ist denn das, das Zurückkommen?

Es ist aufregend und wunderbar. Alle Elternpaare samt heißgeliebter Minimimi standen in der Ankunftshalle, fütterten uns mit Currywurst und Sekt und trugen uns auf Schultern im Triumphzug in das Reich der gefüllten Kühlschränke, Badewannen und Klamottenonlinebestellungen. Ein angenehmer Mix aus Alt und Neu auch an dem Ort, an dem ich ca. ein Tagesdrittel verbringe, meine allerliebsten komischen Mitschaffenden, der ewige Kampf um Kaffee, die kleinen Absurditäten der öffentlichen Verwaltung. Brüssel, richtig in Frühlingsschale geschmissen, nimmt mich einfach so zurück, als ob nichts gewesen wäre. Die Wohnung ist die alte mit dem Knarrholz und dem Nichtbadezimmer und den unverhältnismäßig vielen Treppen, ergänzt nur von der Nachbarskatze, die jetzt in Teilzeit auch hier wohnt.

Und nach der ganzen Aufregung und Freude über das bekannte Schöne schleicht sich ganz, ganz vorsichtig von hinten der Alltagstrott heran und nagt sich durch das Rückenmark bis ins Gehirn, lähmt die tanzenden Neuronen und flüstert diabolisch Termine, Verpflichtungen und Korsette in die Hirnwindungen. Nicht gut. Auf Reisen wird viel gelernt, aber wie man mit Zwängen umgeht, das lernt man eben nicht. Weil man keine hat.

Ich werde es lernen, und bis dahin werde ich es genießen, Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir im letzten Jahr wirklich sehr gefehlt haben. Ich werde meinen Souvenirkoffer auspacken und kleine Geschenke herauszaubern: die Zeit aus Afrika, die Wärme aus Asien, die Sorglosigkeit aus Australien und das Gleichgewicht aus Indien.

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Om mani padme hum

Im Zuge seiner Ruecktrittsankuendigung von den politischen Aemtern bat mich der Dalai Lama um eine Audienz. Kein Ding, ich komme doch gerne und helfe, wo ich kann! Angekommen in Exil-Tibet (Dharamsala, Himachal Pradesh) musste ich jedoch feststellen, dass es sich um ein Missverstaendnis handelte: Er wollte gar nicht mit mir ueberlegen, wie er nicht der naechste Gaddafi werden koennte, sondern vielen Menschen ein bisschen was ueber der Buddhismus beibringen. Kann auch nicht schaden. Fuer die Teilnahme an so einer Veranstaltung muss man sich erstmal registrieren lassen, keine grosse Sache, allerdings pupste ein ukrainischer Kameramann so dermassen die Bude voll, dass der Registriermann erstmal draussen Luft schnappen musste. Gut, dass es keinen Geruchsblog gibt.

Neben der Eintrittskarte soll man ausserdem mitbringen ein Kissen, ein Radio und eine Tasse. Kissen ist klar. Im Tempel gibt es keine Stuehle, und Blasenentzuendung findet niemand gut. Findige Besucher haben ein Ritual etabliert, das man eigentlich nur von den All-Inclusive-Teutonen kennt, die Lakenreservierung. Im Tempel schmeisst man nicht sein Ikea-Handtuch auf die Liege, sondern ein mit seinem Namen versehenes Kissen auf den Boden, moeglichst an eine Stelle, von der man sich die beste Sicht und/oder den hoechsten Sitzkomfort verspricht. Wir wussten nichts von diesem Habitus und latschten morgens einfach sehr frueh mit Decke zum Tempel, fanden ein freies Eckchen und meditierten so vor uns hin, bis zwei Stunden spaeter eine Franzoesin zwischen zusammengepressten Lippen hervorzischte, dass sie diesen Platz bereits vor zwei Tagen reserviert habe. Schon ganz benebelt von der ganzen Spiritualitaet wollte ich selbstlos das Territorium raeumen, als sie sich ihrer Freundin zuwandte und sich mal kurz ungefiltert in Landessprache ueber uns ausliess, was mich in meinen Lotussitz zurueckplumpsen liess. Bisschen mehr buddhistische contenance, madame! Tatsaechlich hatte nach wenigen Stunden jeder einen Platz gefunden, und soweit ich es ueberblicken konnte, lief es ohne Traenen, Blutvergiessen und urinales Reviermarkieren ab. Kaum sitzen alle, stehen sie wieder auf fuer den Dalai Lama. Der sieht aus wie im Fernsehen und spricht das herzallerliebste asiatische Englisch, wo es nicht so sehr auf Verben oder Artikel ankommt. Ich hatte angenommen, dass ich vor Ehrfurcht erstarren wuerde, aber der Herr Lama ist einfach ein sehr netter aelterer Herr, dem viele Dinge im Leben Freude bereiten. Er findet es z.B. sehr lustig, dass ein Mensch auf einem Elefanten reiten kann, der Mensch ist ja viel kleiner als der Elefant, nur ein kleines bisschen schlauer: “People can ride elephant, man is sooo small, but soooo intelligent, sooooo intelligent!” Da lacht er sich tot und der ganze Tempel muss mitkichern. Da aber viele Tibeter gekommen sind, darf der Dalai Lama nicht die ganze Zeit Englisch reden, sondern tibetisch. Als Nichttibeter dreht man einfach das Miniradio auf die passende Frequenz und kriegt einen Uebersetzer auf die Ohren, der keinen leichten Job hat, weil der Dalai Lama anscheinend auch auf tibetisch gerne mal fragmentarisch spricht und ab und an auch mal einen Witz auf Englisch einschiebt, den der Uebersetzer dann automatisiert einfach ins Tibetische dolmetscht, was man selber aber nicht so schnell mitkriegt und dann ist auch schon wieder zu spaet. Egal, Dalai Lama freut sich. Zwischendrin wird nochmal Pause gemacht, kurzes Trinkgebet und dann schenken die Kochmoenche Tee aus. Supi, da haben wir doch schon stundenlang mit der Tasse in der Hand drauf gewartet! Problem is, is Buttertee. Einfach mal zu Hause nachmachen, Butter im Topf schmelzen lassen, Schuss Milch dazu und trinken. Koestlich!

Ansonsten waren wir als Anfaenger-Buddhisten mit der Thematik etwas ueberfordert, fanden es aber wirklich sehr nett, dass wir dabei sein durften. Ueberhaupt kann man jeden Tag in den Tempel gehen und den Moenchen zuhoeren, die unglaubliche Toene produzieren koennen. Oder DVDs ueber Tibet gucken, weil man sich mal wieder total uninformiert fuehlt. Oder ins Museum gehen. Oder in die Berge wandern. Oder Souvenirs kaufen. Oder sich auf das Ende vorbereiten.

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Endspurt

Von den Andamanen nach Kolkata fliegen kommt der Vertreibung aus dem Paradies gleich. Auch wenn ich nun einige grosse indische Staedte gesehen habe, war Kolkata hart. Es gibt diese Momente in Indien, wo die Grenzen des Ertraeglichen ueberschritten werden – und ich bin nicht zimperlich. Die Mischung aus Hitze, Gestank, verlogenen Taxifahrern, Lautstaerke, Uebermuedung machte mich so unglaublich duennhaeutig, dass ich diese Kinder nicht anschauen konnte. Ich kann das Gefuehl nicht beschreiben, vielleicht ist es die Erkenntnis, dass es tatsaechlich verlorene Seelen gibt.

Der Touristenquote der indischen Bahn sei Dank konnte ich der Hoelle am selben Abend nach Varanasi entfliehen. Varanasi, die heilige Stadt der Hindus, das klingt doch nach Erloesung. Wenn also ein verstorbener Hindu zwischen Fluessen Varuna und Assi am Ganges verbrannt wird, ist das eine gute Sache, weil dann die Seele auf eine hoehere Ebene als ueblich kommt (kompliziert, man kommt zwar nicht gleich in den Himmel, aber sozusagen kurz davor). Das finden nun auch viele Touristen spannend, und die Geschaeftemacher in Varanasi beherrschen virtuos das Spiel der spirituellen Erpressung. Ist man nicht gewillt, den angeblich ueblichen Preis fuer Dientsleistung xy zu zahlen, wird man darauf hingewiesen, dass das nun aber ganz schlecht fuer das eigene Karma sei. Erstaunlicherweise funktioniert die Erzeugung von Unwohlsein sogar, obwohl ich gar nicht genau weiss, was ein schlechtes Karma genau fuer Konsequenzen fuer mich haben kann. Ein Mann (Funktion ungewiss) wies mich darauf hin, einer Omi Geld zu geben, damit sie sich zu gegebener Zeit auch genug Holz fuer ihren Scheiterhaufen kaufen kann, und war dann mit meinem gespendeten Geldbetrag nicht einverstanden (also, nicht die Omi war unzufrieden, sondern ihr… sagen wir Sohn). Er wuenschte mir schlechtes Karma. Ich wuenschte ihm eine Wiedergeburt als Schalke-Fan. Waehrend all dieser Spiraenzchen steht man vor den brennenden Leichen, und da ich in meinem Leben noch keine Kremation live gesehen hatte, war ich wirklich mehr als beeindruckt. Zum Glueck hatten wir jemanden zur Seite, der den anfaenglichen Ekel mit seinen Erklaerungen mindern konnte. Ich meine, man SIEHT, wie die Leichen brennen, man sieht alles. Unser provisorischer guide war ein Oesterreicher, der seit mehreren Jahren als Guru in Indien lebt und den wir in unserem Hotel trafen, wo er seinen Opa mit ayurvedischer Medizin von einem Schambeinbruch zu kurieren versuchte, den er sich bei seinem elften Indienurlaub bei einem Sturz zugezogen hatte. Waere der Guru nicht ganz so wild im Gesicht bemalt gewesen, waere die Geschichte weniger absurd und ich haette ausserdem nicht nonstop darueber nachdenken muessen, dass Aschermittwoch ist. Egal, ansatzweise haben wir die Verbrennungsgeschichte nun verstanden.

Eigentlich suchen wir zum Ende der Reise mehr Entspannung als Aufregung, daher ging es schnell weiter in die Berge. Ueber das Transportwesen in Indien habe ich mich ueberhaupt noch nicht gebuehrend ausgelassen, dabei ist es doch ganz grosser Sport! Teil 1: Bahnfahren (nachts), Varanasi-Delhi, Liegewagen unklimatisiert, 14 Stunden. Zuerst unterschreiben wir bei einem Polizisten, dass wir auf unserem Gepaeck schlafen und von niemandem Essen oder Trinken kaufen werden, weil wir naemlich sonst vergiftet werden. Aha. Ich stelle fest, dass meine Fensterscheibe leider nicht vorhanden ist und kleide mich im Zwiebelsystem. Nachdem sich alle Kinder beruhigt haben, falle ich in leichten Schlaf. Ich erwache im Halbstundentakt, da das Zwiebelsystem unwirksam ist und ich zittere. Gegen 4:30 hat ein Mitreisender Lust, mal ein bisschen Musik zu hoeren. Leider hat er seine Kopfhoerer vergessen und ich habe meine gerade an eine Estin verschenkte. Ich hopse in meinem Schlafsack zu ihm rueber und frage ihn, ob es ihm sehr viel ausmachen wuerde, die anderen 80 schlafenden Waggoninsassen mit Justin Bieber zu verschonen. Seine Antwort: “What is the problem?” Eine Viertelstunde spaeter betritt der Teeverkaeufer die Buehne, der mit angenehmer Bassstimme “Chaaaaai, chaichaichaichaaaaaai!” durch den Wagen bruellt. Kein Wunder, seine Kunden muessen ja erst geweckt werden, bevor sie konsumieren koennen, da muss man was lauter werden. Dass wir seinen Tee nicht trinken duerfen, weil wir sonst sterben, weiss er nicht. Es folgt ein blinder Saenger (in jedem Zug gibt es genau einen blinden Saenger). Die Sonne geht auf, ich friere weniger. Frisch und ausgeruht, nach Blumen duftend, verlasse ich den nur um zwei Stunden verspaeteten Zug. Teil 2: Busfahren (nachts), Delhi-Dharamsala, Sitzplatz unklimatisiert, elf Stunden. Darueber moechte ich nicht sprechen.

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Liebe Tante Gertrud,

Viele Gruesse von den Andamanen schickt dir Anni. Hier ist es sehr schoen. Jeden Tag scheint die Sonne und das Meer ist warm, zumindest an der Oberflaeche. Das Essen ist auch sehr gut, am liebsten esse ich Donuts mit Nutella. Leider habe ich keine Zeit die Sehenswuerdigkeiten zu besichtigen, weil ich mein letztes Taschengeld ausgebe, um mir die Fische von unten anzuschauen. Mein Tauchlehrer hat gesagt, wenn ich eine Boje hinter mir herziehe und ein paar Unterwasserfotos mache, darf ich auch richtig tief tauchen. Habe ich gemacht, und weisst du, was es da unten gibt? Mantarochen! Leider ist es auf 30 Metern richtig kalt, so 30 Grad, deswegen muss ich jetzt immer zwei Tauchanzuege uebereinander anziehen. Weil ich nicht so viel Zeit an Land habe, kann ich nur Donuts essen und ein Hundebaby entwurmen und in der Haengematte liegen und Quatsch reden. Masu sagt, dass ich niemandem verraten darf, wie toll die Andamanen sind, weil dann ganz viele Touristen kommen und es dann nicht mehr so schoen ist, bitte erzaehl es also keinem weiter. Oder, wie wir im Buero sagen: Mach ma Kopp zu! Ich hoffe, es geht dir auch gut. Bis bald, deine Anni

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Man kommt nicht um sie drumrum in diesen bewegten Zeiten: die Demokratie. Die arabischen Voelker haetten sie gerne, Belgien braucht sie irgendwie nicht so wirklich und Italien nuetzt sie nicht viel. Selbst in der BRD wird geschludert, der Verteidigungsminister vergisst in seiner Diss die Fussnoten, mein Lieblings-EU-Parlamentarier Honorarzahlungen in seiner Steuererklaerung, kann ja alles mal passieren! Wer ist eigentlich die Nummer Eins unter den Demokratien? The Economist sagt, das sei Norwegen. Aha. Da laeuft’s ja meistens besser als woanders, keine grosse Ueberraschung. Und welches ist die groesste? Muss man jetzt auch nicht lange rumraten, China kann’s nicht sein, dann ist es wohl Indien. Ich musste mir erstmal gehoerig auf die Zunge beissen, wenn hier die groesste funktionierende Demokratie der Welt propagiert wird – wie kann man behaupten, eine Demokratie funktioniere, wenn ein Grossteil der Bevoelkerung ueberhaupt nicht die Grundvoraussetzungen dazu hat, daran teilzunehmen? Freie und geheime Wahlen stellen Analphabeten vor enorme praktische Probleme; Zugang zu Informationen ist keine Selbstverstaendlichkeit, wenn man auf dem Buergersteig wohnt; und wer profitiert denn tatsaechlich von den gesellschaftlichen Veraenderungen, fuer die wir die Unannehmlichkeiten der Demokratie ueberhaupt auf uns nehmen?

Dank des ersten Regens, den ich in Indien erleben durfte, landete ich in einem – huch!- Museum. Gandhi. Und ueberhaupt die gesamte indische Unabhaengigkeitsgeschichte bis 1948, und als ich so vor diesen ganzen Tafeln stand, ging mir auf, dass es nicht um die perfekte Demokratie geht, sondern darum, dass es ueberhaupt eine gibt. Und das ist, nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft, in einem sprachlich und religioes vielfaeltigen Land mit einer schier unglaublichen Anzahl von Menschen doch wirklich ein Wunder! Und natuerlich, dass ein kleiner, duenner Mann in Holzsandalen einen grossen Anteil daran hat.

In Pondicherry gibt es neben Croissants und Polizisten mit roten Hueten einen sehr beruehmten Ashram. Sri Aurobindo, ebenfalls Unabhaengigkeitskaempfer, fand seinen spirituellen Zwilling in einer Franzoesin, die man “die Mutter” nennt, und praktizierte mit Leidenschaft integrales Yoga. Was das nun genau ist, konnte auch mein Besuch des Ashrams nicht klaeren, trotzdem gewann ich interessante Einblicke in den Totenkult. Die beiden Gurus sind naemlich beide oeffentlichkeitswirksam im Innenhof des Ashrams bestattet, wo sich dann die Besucher je nach Beduerfnis drauf werfen und beten koennen. Mir war nur nach Zugucken, da wurde ich allerdings darauf hingewiesen, dass mein Koerper sich nicht im korrekten Winkel zum Grab befand, also bitte! Der Rueffel trieb mich in das Informationszentrum, wo ich mich aufgrund der Touristendichte nicht in der Lage sah, mich ausfuehrlich in das Thema transzendentales supramediales integrales Yoga einzulesen, dafuer aber folgenden Satz aufschnappte (kein Zitat, keine Fussnote, is klar, oder?): Das schlimmste Verbrechen, das man Kindern antun koenne, sei, sie in der Obhut von Dienern zu lassen, da diese von vulgaerem Wesen seien und dies unbeabsichtigt auf die Kinder uebertragen wuerden. Danke, auf Wiedersehen.

Das hier ist fuer alle Muetter:

Zweiter Versuch: Auroville. Ein Projekt, eine universelle Stadt, eine Utopie. Alles, was Touristen zu sehen bekommen, ist das spirituelle Zentrum der (noch zu bauenden) Stadt, eine Art goldener Riesengolfball, in dem man angeblich lernen kann, sich zusammen mit einem grossen Kristall zu konzentrieren. Angeblich funktioniert das Konstrukt ganz wunderbar, angeblich sind alle happy. Ich weiss es nicht, aber ich wuerde es gerne wissen. Oder zumindest glauben, dass es wahr ist.

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