Gute Nachrichten! Wir haben unsere Paesse samt verlaengerten Visum wieder und konnten Kupang, der Hoelle der Langeweile, entfliehen. Im Endeffekt war es gar nicht soooo schrecklich, es fuehlte sich ein wenig nach Standbild an. Die neue Haltestelle heisst Tana Toraja auf Sulawesi, und allein schon der Klang dieses Namens verspricht einiges mehr als das plumpe Kupang. Eine wunderschoene Landschaft mit Bananen, Kaffee, Kakao, Arak und noch viel mehr, viele Huegel, ausnahmsweise mal unvulkanisch, und natuerlich massig Reis, Wasserbueffel, Schweine, wenig Touristen und ab und an ein kraeftiger Regenschauer. Herrlich! Und ein etwas bizarrer Totenkult. Das kann eigentlich jeder auf Wikipedia nachlesen, ich gebe trotzdem eine kurze Zusammenfassung: Die Torajaner sind hauptsaechlich Christen, woran sie das festmachen, habe ich allerdings noch nicht herausfinden koennen. In Wahrheit sind sie Animisten, die Natur ist heilig und nach dem Tod geht die Seele ind das Land der Seelen, was sich wiederum in allem Natuerlichen befindet. Tod ist das Stichwort: Wenn jemand stirbt, ist er erstmal krank, wohnt im Haus der Familie und bekommt dreimal taeglich Essen und Trinken, bei Bedarf Zigaretten und alles, was das Herz begehrt. Besucher muessen sich mit dem Kranken unterhalten und ueberhaupt geht das Leben weiter. Zum Glueck ist der Kranke durch Injektionen konserviert. Die Familie spart in der Zeit Geld fuer die wirkliche Beerdigung, und die kann teuer werden. Je nach Status muessen zwischen einem und 24 Wasserbueffeln geschlachtet werden, und erst, wenn die angeschafft wurden, ist Beerdigung, teilweise mehrere Jahre nach Erkrankung des Betroffenen. Da wir leider keinen Kranken zu Gesicht bekommen haben, sind wir stattdessen zu einer Beerdigung gegangen. Der Himmel weinte, aber wie! Das war unguenstig, denn das Dorf lag auf einem Huegel, der sich innerhalb von Minuten in einen riesigen Schlammberg verwandelte und die Veranstaltung in die Kategorie “bloody and muddy” verschob. Wir brauchten einige Zeit, um uns bis oben durchzuwuehlen, wie es den Schweinetraegern wohl ergangen sein muss! Zum Empfangstag bringen befreundete Familien und Verwandte Geschenke, in den allermeisten Faellen Schweine, die auf ein Bambusgestell geschnallt und dann vor dem Haupthaus niedergelegt werden, wo dann ein Mann mit Mikrophon verkuendet, welche Familie welches Schwein gebracht hat. Die Schweine finden das, vorsichtig gesagt, nicht so toll. Wir sahen im Laufe des Tages sicher 100 Schweine und alle haben gequiekt wie nix Gutes. Teilweise auch zu Recht, denn einige werden gleich durch einen mehr oder weniger gezielten Stich ins Herz in das Land der Seelen befoerdert. Und spaetestens da schaltet sich das Gewissen des carnivoren Europaeers ein. Man stellt sich ja gerne vor, dass das abgepackte Minutensteak aus dem Supermarkt schon als Minutensteak auf die Welt kam. Fleisch hat nichts mit quiekenden Tieren zu tun. Und wenn doch, dann gibt es ordentliche EU-Richtlinien zur humanen (ha!) Behandlung von Schlachthofvieh, da werden die Schweinchen erstmal eingeschlaefert und dann, innerhalb von Millisekunden, geht es ab ins Land der Seelen. Dass das nicht stimmt, ist klar, aber wie sollte man sonst seinen Fleischkonsum rechtfertigen? Massentierhaltung ist nicht gut und gehoert boykottiert, macht aber keiner, weil es bequem und so wunderbar leicht zu verdraengen ist. Dann also das Bioschwein in Einzeltoetung, aber fuer das komplette Prozedere von abstechen, ausnehmen, Borsten abbrennen, zerteilen waren meine Nerven nun doch zu schwach. Was mache ich nun? Vegetarismus? Keine Entscheidung getroffen bisher, wird sicher ein Nachderreisethema. Mein Lieblingsspruch uebrigens von einer Italienerin, die mit grossen Augen das Blut-Matsch-Gemisch betrachtete: “Ist nicht Ramadan?”
Nachtrag:
Nachdem also die Beerdigungszeremonie gelaufen ist, gibt es verschiedene Moeglichkeiten der Bestattung, unter anderem in Felsenloechern oder Hoehlen. Beides seltsam. Vor den Felsenloechern stehen auf einer Art Balkon die tau taus, geschnitzte Abbilder der Toten, die die Saerge bewachen und eine gewisse Aehnlichkeit mit Ruhrgebietlern samt Kissen auf dem Fensterbrett an einem Sonntachnammitach haben. In Hoehlen werden Saerge gestapelt, und was passiert mit Saergen nach einer gewissen Zeit? Genau. Totenruhe ist da das falsche Wort. Tropfsteinhoehlen mit Totenkoepfen, ein ungewoehnlicher Ausflug in das Reich der Geisterbahnen.