Ich bin verliebt. Alle physischen und psychischen Anstrengungen haben sich gelohnt, ich bin angekommen auf der Insel, die die gesamten vier Tage Anreise vergessen laesst. Wie soll man sie beschreiben? Wer schon mal auf Sansibar war, benutze die Zeitmaschine und reise 50 Jahre in die Vergangenheit. Fuer alle anderen muss ich ausholen.
Die Ilha do Mocambique, meistens nur Ilha genannt, war bis zur Unabhaengigkeit die Hauptstadt des Landes, was natuerlich nicht wirklich stimmt, denn das war ja in Wahrheit Lissabon. Heute ist sie UNESCO Weltkulturerbe, obwohl man sie ueber eine sehr haessliche Bruecke erreicht, da hat die UNESCO nicht gut aufgepasst, sei’s drum. Die Insel, maximal 2,5 km lang und 600 m breit, ist mit 18.000 Einwohnern ueberbevoelkert, allerdings merkt man davon nicht viel, weil wie immer der Grossteil der Menschen unter einem Meter gross ist. Der Suedteil (“reed town”) setzt sich aus sechs ehemaligen Fischerdoerfern zusammen, der Nordteil (“stone town”) beherbergte Verwaltungsgebaeude und heute die Touristen (ich schaetze mal so zehn am Tag). Die Bewohner der Insel legen, fuer mosambikanische Verhaeltnisse, geradezu schockierende Verhaltensweisen an den Tag: Maedchen reden mit Jungs, Frauen fahren Motorrad und Vaeter spielen mit ihren Kindern (In Malawi ist es Frauen uebrigens noch nicht lange erlaubt, Hosen zu tragen.). Ansonsten verlieren Touristen mit steigendem Alter des Betrachters an Attraktivitaet, man wird von Erwachsenen zwar nicht mehr umarmt und gestreichelt, aber auch nicht ausgeraubt. Soweit ich das in ein paar Tagen beurteilen konnte, gibt es einfach keine Kriminalitaet oder Agressionen, die ueber einen Kinder verscheuchenden Kellner hinausgehen (allerdings von dem entschuldigenden Kommentar begleitet: “They talk too much.”). Selbsternannte Touristenguides gibt es zwar, der Markt wird aber kontrolliert und gelenkt von Harry Potter, der wahrscheinlich den unpassendsten Spitznamen der Welt abbekommen hat. Er hat leider kein Telefon, wohnt aber im Zelt am Strand, falls ihn jemand brauchen sollte. A propos Telefon: Die bizarrste Nachricht erreichte uns von einem Herrn, mit dem Masu einige Zeit versucht hatte zu klaeren, ob sein Rohbau nun als Gaesteunterkunft zu gebrauchen sei oder nicht:”Thenk you for mim, use you. See you tomorrow morning. Good nighithy.” Hm. Wenn jemand eine offizielle Auskunft braucht, einfach bei Natacha vorbeischauen, die eroeffnet seit einigen Jahren die Touristeninfo und die Klimaanlage laeuft auch hervorragend. Ansonsten war Natacha noch nie an einem der umliegenden Straende, aber sie kann jemanden in Maputo anrufen, der war schon ueberall. Auch die Museumsfuehrung ist sehr informativ und sogar auf englisch, man lernt sehr viel ueber den letzten portugiesischen Gouverneur. Der hatte immer ein Bettchen frei fuer den Koenig, aber der Koenig kam nie, deswegen hat dann einfach der erste portugiesische Praesident bei seinem Antrittsbesuch drin geschlafen. Nicht ganz so wunderlich wie das House of Wonders, aber aeusserst geschichtstraechtig. Die meisten Steinbauten auf der Insel sind uebrigens um die 400 Jahre alt, und ein Bruchteil dieser Gebaeude wurden renoviert. Es gibt tolle Anlagen wie meinen Favoriten, den Sporting Club, oder das Krankenhaus, das aussieht wie der Akropolis entsprungen, und zwar voellig zerfallen und von Wildkraeutern befallen Grundsaniert sind einige Hotels, Bars und Verwaltungsgebaeude, die Menschen leben in Hinterhofwohnungen, die ueber drei Treppen und einen Mauerdurchbruch zu erreichen sind. Wenn die Menschen nicht da waeren, wuerde man sich gruseln vor einer Geisterstadt, so aber lebt man ein bisschen unwirklich und verwunschen in einer Umgebung, die einen an nichts anderes denken laesst, wie es wohl war und was es wohl werden koennte. Die UNESCO haette gerne, dass alles so bleibt, wie es ist, betreibt oder foerdert aber auch keine Instanthaltungen. Die werden, wenn ueberhaupt, von auslaendischen Investoren betrieben, z.B. von Uwe mit seinem neuen Backpacker oder von Roberto mit seiner fantastischen Dachterassenbar. Mein Lieblingsetablissemaeng war die riesige Hinterhofbar, seltsam dreigeteilt in schummeriges Rotlicht mit Bastmatten, Plastikstuehle unter Neonlicht und gemauerten Muschelsitzen und -tischen, gleich neben einem ehemaligen Hockeyfeld und geschmackvoll dekoriert mit einem Weihnachtsbaum. Sowas wuerde in Berlin hoechstwahrscheinlich ein Insider-Tipp fuer spanische Touristen sein. Einziger, trauriger Nachteil der Ilha: Wassermangel fuehrt zu Toilettenmangel fuehrt zu Strandnutzung fuehrt zu Nichtstrandnutzung. Schwimmen ist nicht, auch wenn es jetzt nicht so schlimm wie, sagen wir mal, der Ganges ist. Stattdessen nimmt man ein Segelboot (Harry Potter fragen) und faehrt zum Festland mit Abstecher ueber unbewohnte Inseln mit Riesenmuscheln. Seufz, wer braucht schon Westerland?!
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