Nun kommt ein Kapitel zur Langeweile, Unterart gereizte Langweile. Auf Franzoesisch ist das Wort fuer Langeweile auch gleichzeitig der Aerger, beschreibt sehr passend den momentanen Zustand. Und das kam so:
Der ausgefeilte Plan war der, aufgrund des auslaufenden indonesischen Visums einfach immer weiter nach Osten zu fahren, denn wenn man weit genug in die Richtung laeuft, kommt man automatisch nach Timor-Leste, den unabhaengigen Ostteil der Insel Timor. Wir also einen Flug von Flores nach Timor genommen, der laecherliche 45 Minuten dauerte und unsere gruenen Herzen bluten liess. Alternative waere die Faehre Maumere-Kupang gewesen, die neulich mal gesunken ist, aehnlicher Standard wohl wie malawische Ueberlandbusse. Guten Mutes in Kupang angekommen, das billigste Zimmer der Welt gefunden, erstmal zur inoffiziellen Touristeninfo der Stadt gelaufen um ein Busticket nach Dili, Hauptstadt von Timor-Leste, zu besorgen und ein kuehles Bintang zu trinken. Bis dahin war alles schoen. Zunichte machte die Idylle Edwin, Barbesitzer, Internetdienstleister und wahrscheinlich auch heimlicher Buergermeister: Seit Mai bekommt man kein Visum mehr an der Grenze zu Timor-Leste, das muss man beantragen, und dann dauert das so drei Wochen und dann darf man einreisen. Wir erstmal, chronisch misstrauisch, das Auswaertige Amt befragt, und jaaaa! Meine Albtraeume der sich spontan aendernden Visabestimmungen waren wahr geworden. Es war der Abend vor dem indonesischen Unabhaengigkeitstag und zwei Tage vor Ablauf des Visums, ein Abend der Fassungs- und Hilflosigkeit. Doch, Indonesien sei Dank, wir waren nicht alleine. Es sassen um den Bintang-Tisch versammelt Team Germany, bald illegale Einwanderer; Team Netherlands, das seit 16 Monaten von Maastricht aus durch die Welt radelt und kurz vor Schluss, naemlich Australien, niemanden fand, der die Raeder fuer weniger als 500 US$ (!!!) nach Dili bringen wollte; Team Poland, das nach einer Odyssee durch die indonesischen Filialen des Faehrenbetreibers herausfand, dass das Schiff tatsaechlich zum urspruenglich geplanten Termin starten wuerde, bis zur Destination jedoch bei gutem Wetter fuenf, ansonsten sieben Tage brauchen wuerde. Nee, wir konnten es nicht glauben – Edwin aber, der Zen-Meister, Fachgebiet Loesungsstrategien, ueberredete die Hollaender zum Radeln, die Polen zu einer anderen Insel und uns, seinem Kumpel unsere Paesse zur Visumsverlaengerung zu ueberlassen, eine Moeglichkeit, die wir bisher immer von uns gewiesen hatten. Der Kumpel war praktischerweise auch gleich Manager unserer Unterkunft (Hotel moechte ich eher nicht schreiben) und ueberzeugte uns mit Professionalitaet, einer kurzen Wartezeit (so drei bis fuenf Werktage) und einer genauen Aufschluesselung der Kosten inklusive Sonderposten Bestechungsgeld.
Nun sitzen wir in Kupang, ohne Paesse, dafuer mit einem Schrieb des immigration office, auf dem angeblich steht, warum wir momentan passlos sind, vielleicht aber auch so etwas wie “Nehmen Sie diese Frau in Gewahrsam, sie hat auf Lombok einen Wanderfuehrer abgemurkst”. Und es ist ganz furchtbar langweilig. Es ist zu heiss, um zu schlafen oder spazieren zu gehen oder sich in einen Bus zu quetschen. Kupang hat zwei Bars mit Internet, aber wir haben nur ein Netbook. Masu hat sich darauf verlegt, Edwin Unterricht in html zu geben, woraufhin Edwin beschloss, dass wir keine zahlenden Gaeste mehr seien, sondern Freunde in seinem Haus. Das ist sehr nett und sehr billig, aber es wird nicht spannender. Wir wissen nicht, was wir machen sollen, wenn wir wieder weg koennen. Eigentlich wollen wir einfach nach Melbourne fliegen, Wohnung suchen, ein paar Monate bleiben, geht aber nicht wegen… richtig, des australischen Visums! Es ist definitiv der erstes richtige Reisedurchhaenger, kein Bock auf nix und alles doof, Rucksaecke sind doof und Reis ist doof und Sonne ist auch doof. Ich wusste ja auch, dass dieser Moment einmal kommen wuerde, und er hat erstaunlich lange auf sich warten lassen. Warum er gerade jetzt kommt, weiss ich nicht, vielleicht bin ich einfach entscheidungsmuede geworden, vielleicht haben wir im letzten Monat auch einfach zu viel gemacht, vielleicht ist es das Gefuehl, am Ende der Welt zu sitzen und dass der Weg zurueck muehsam und lang sein wird. Und was macht man in solchen Faellen? Genau, Roller mieten und an den Strand fahren!
Neuseeland? Philippinen? Palau? Durch den Dschungel in Papua? Nüchtern sein in Brunei? Ein Floß basteln und sich von der australischen Küstenwache retten lassen?
Ich kenne diesen Zustand auch ein wenig. Was mir hilft: Was Gutes zu schmausen, eine Mütze Schlaf falls müde, und ein neuer Plan. Und immer wenn ich ne Weile frustriert herumsuche… dann wird mir einer von freundlichen Engelchen eingeflüstert.
Du hast so recht… Heute abend bekommen wir die Paesse wieder und sind vogelfrei! In der Zwischenzeit – Parallele, Parallele! – haben wir vor Langeweile die haesslichste Gitarre der Welt gekauft.
Jetzt schreibe ich auch endlich mal, hab mir das so oft vorgenommen … schon nach der story mit dem wohl von unserer couch gemopsten Kissen 😉
Kann mich daran gar nicht erinnern und hab das Kissen whl auch nicht vermisst …
Hauptsache ihr habt die Pässe wieder, kann mir das komische Gefühl gut vorstellen, wenn man quasi die Identität aus der Hand geben muss. Nicht dass ich mich über meinen Pass definiere, aber so weit weg und von anderen abhängig dieses Ding aus der Hand geben zu müssen … da muss man schon vertrauen können.
Aber ist ja wohl alles gut gegangen, ich wünsche euch jedenfalls noch viel Spaß bei der weiteren Reise!